Fundamentalanalyse
Bezeichnung für Vorgehensweisen der Wertpapieranalyse. die sich nicht wie die technische Analyse an Kursverlaufen der Vergangenheit orientieren, sondern politische, volkswirtschaftliche, monetäre und unternehmensspezifische Einflussfaktoren auf die Kursentwicklung untersuchen. Zunächst wird diagnostiziert, ob zum Beispiel eine Aktie im historischen Vergleich, im Branchenvergleich oder aufgrund von Ertrags- und Substanzgesichtspunkten über- oder unterbewertet ist. Aus dieser Diagnose wird eine Prognose der künftigen Entwicklung abgeleitet.
1. Begriff Die fundamentale Aktienanalyse unterstellt, dass die Entwicklung der Ertragskraft einer Unternehmung letztlich die Entwicklung der Aktienkurse bestimmt. In der Fundamentalanalyse steht der innere oder wahre Wert eines Unternehmens im Mittelpunkt. Er wird durch die wirtschaftliche Situation der Unternehmung, durch die nachhaltige Ertragskraft und den potentiellen Verkaufserlös im Liquidationsfall bestimmt. Die Anhänger der Fundamentalanalyse gehen davon aus, dass der Kurs einer Aktie um den inneren Wert schwankt. Ein Papier gilt als kau- fenswert, wenn es unter seinem inneren Wert notiert und umgekehrt. 2. Merkmale In der Ertragskraft einer Unternehmung kommt deren Fähigkeit zum Ausdruck, einen nachhaltigen Strom an Erträgen zu erwirtschaften. Während die Kapitalmarktgleichgewichtstheorie regelmäßig von informationseffizienten Märkten ausgeht, unterstellt die Fundamentalanalyse mithin die Möglichkeit der Existenz von kursbeeinflussenden, aber noch nicht in der aktuellen Kursnotiz verarbeiteten Informationen. 3. Unterscheidung von anderen, ähnlichen Begriffen Im Gegensatz zur Fundamentalanalyse, die sich am Ertragswert einer Gesellschaft orientiert, beurteilt die technische Aktienanalyse die Kursentwicklung einer Aktie ohne Bezug auf fundamentale Daten und geht davon aus, dass die künftige Kursentwicklung aus den Kursbewe- gungsmustem der Vergangenheit zu prognostizieren ist. 1. Ziele Ziel der Fundamentalanalyse ist es, die die Kurssteigerungen bewirkenden Faktoren so früh wie möglich zu erkennen. So früh wie möglich heißt zumindest früher als der gesamte Markt. Dies gilt für unternehmensspezifische Nachrichten ebenso wie für globale Wirtschaftsdaten. Mit der Identifikation vermeintlicher Kurssteigerungspotenziale ist es nicht getan. Die mutmaßlichen Kursveränderungspotenziale müssen auch vom Markt realisiert werden. Bei vielen fundamental bedeutsamen Ereignissen ist jedoch ziemlich ungewiß, wie der Markt in welchem Zeitraum in welchem Umfang sie zur Kenntnis nimmt. 2. Entwicklung bzw. Geschichte des Begriffes Die Bedeutung der Kursprognose bzw. Analysestrategie an Hand von fundamentalen Faktoren ist mindestens 100 Jahre alt und erlebte in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts einen neuen Aufschwung, nachdem die allein auf der Analyse der vergangenen Kurszeitreihen basierenden Anlagestrategien weniger erfolgreich waren als sogenannte Style-Investoren, die ihre Portfolios nach fundamentalen Kriterien auswählten. Wertorientierte Planungs- und Bewertungstechniken liefern ein Gerüst zur Berechnung und Erklärung der in der Praxis vielfach verwendeten Kennzahlen (z.B. Cash Flow Return On Investment CFROI, Economic Value Added EVA) und Multiplikatoren (z.B. Kurs-Gewinn-Verhältnis KGV) und stellen dem Analysten ein shareholder orientiertes Instrumentarium zur Verfügung, das die Aufspaltung des Shareholder Value in seine finanziellen Einflussfaktoren erlaubt. Letztere werden anschaulich auch als Value Driver, die die Zahlungsströme, die Risikosituation und damit den Marktwert des Unternehmens beeinflussen, bezeichnet. 3. Darstellung der zugrundeliegenden Modelle 3.1 Gewinn als Maßstab der Wertermittlung 3.1.1 Gewinn-/Dividendenwachstums-modell Das Gewinnmodell geht von der Vorstellung aus, dass der Aktienwert Ko dem Barwert der künftigen jährlichen erwarteten Gewinne entspricht. Bei konstanten jährlichen Gewinnen und unendlichem Betrachtungszeitraum erhält man K0 = G/i. Die erwarteten Gewinne im Zähler sind mit einem risikoadjustierten Kalkulationszinsfuß i zu diskontieren. Er wird im allgemeinen mit Hilfe des Capital Asset Pricing Model (CAPM) bestimmt. Aktuelle Umfragen unter US- Praktikem zeigen, dass über 80% der Unternehmen und Berater dieses Konzept zur Bestimmung des Kalkulationszinssatzes verwenden. Der im Zähler der Bewertungsformel stehende Gewinn soll die nachhaltige Ertragskraft der zu beurteilenden Unternehmung widerspiegeln und sollte daher um Sondereinflüsse bereinigt werden. Die Methode zur Ermittlung des Ergebnisses nach DVFA/SG ist hierzu und zur Erreichung der Vergleichbarkeit entwickelt worden. Die Bedeutung einer nachhaltigen Ertragsgröße wird bestätigt durch die gleichlautende aktuelle Forderung der angelsächsischen Diskussion. Im Gewinnmodell wird grundsätzlich eine Vollausschüttung des DVFA/SG-Ergebnisses unterstellt. Die Berücksichtigung einbehaltener Gewinnanteile erfolgt in dem Dividendenwachstumsmodell. Wird das Gewinnwachstum ausschließlich durch einbehaltene Gewinne finanziert und sind sowohl die Eigenkapitalrentabilität ROE (Return on Equity) als auch die jährliche Thesaurierungsquote e im Zeitablauf konstant, dann ist der Barwert künftiger Dividendenzahlungen gleich K0 = D/(i-g) wobei Dj = Gj(l-e) die erwartete Dividende im Zeitpunkt eins und g = e*ROE die jährliche Wachstumsrate des Gewinns (internal growth rate) beschreibt. Die Verwendung künftiger Gewinne als Bemessungsgrundlage der Dividende ist nicht ohne Kritik geblieben. Im wesentlichen wird argumentiert, dass der Gewinn eine buchhalterische und keine finanzwirtschaftliche Größe darstellt. Die Höhe des Gewinns wird dabei maßgeblich von den geltenden Ansatz- und Bewertungsvorschriften bestimmt. Das tatsächliche Ausschüttungspotenzial bzw. die vom Management effektiv verfolgte Dividendenpolitik wird hingegen maßgeblich von den finanziellen Möglichkeiten der Unternehmung bestimmt. Die Bemessung der Dividenden orientiert sich an finanzwirtschaftlichen Größen, die frei von Bewertungsspielräumen sind. Die Aktienbeurteilung aufgrund von Zahlungsströmen, in der alle als für die Vermögensentwicklung der Eigner relevanten Einnahmen und Ausgaben zeitgenau erfaßt werden, vermeidet die Probleme von erfolgsgrößenorientierten Modellen. Gleichzeitig sind natürlich reine Zah- lungsstrommodelle durch die Aperiodizität von Zahlungen beeinträchtigt. Das um Sonderein- flussfaktoren bereinigte DVFA/SG-Ergebnis versucht einen "goldenen Mittelweg" der normierten nachhaltigen Erfolgsgröße. Statistische Untersuchungen bestätigen dann auch seinen hohen Erklärungsgehalt für Aktienkurse im Rahmen der empirisch-induktiven Analyse. 3.1.2 Kennzahlenanalyse In der Bewertungspraxis werden diverse Bewertungskriterien beziehungsweise -kennzahlen zur schnellen, näherungsweisen Beurteilung der Preiswürdigkeit von Aktien eingesetzt. Aus der Vielzahl verwendeter Kennzahlen sollen hier die Dividendenrendite, das Kurs-Gewinn- Verhältnis, das Marktwert-Buchwert-Verhältnis und das Kurs-Cash-Flow-Verhältnis vorgestellt werden. Dividendenrendite: Das Verhältnis der erwarteten Dividende pro Aktie (mit/ohne Steuergutschrift) zu aktuellem Aktienkurs gibt den prozentualen Anteil der Ausschüttung am Aktienkurs wieder. Hohe Dividendenrenditen sollen hohe Wertzuwächse, niedrige Dividendenrenditen geringe Wertzuwächse signalisieren. Unter der Annahme der Gültigkeit des Dividendenwachs- tumsmodells mit konstantem Wachstum, P0= D^i-g), ist der vom Markt zur Bewertung herangezogene Diskontierungszinssatz i bzw. die vom Markt geforderte Rendite (required rate of return) gleich i=(Dj/P0), d.h. gleich der Dividendenrendite zuzüglich der Wachstumsrate der Dividende. Dividendenrenditen und Wachstumserwartungen verschiedener Unternehmen (der gleichen Risikoklasse) sollten mithin nicht isoliert, sondern stets im Kontext interpretiert wer- Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV): Das KGV (Price Earnings Ratio PER) ist gleich dem Quotient aus Kurs einer Aktie durch Gewinn pro Aktie. Durch Vergleich des KGVs einer Unternehmung mit einem Durchschnitts-KGV der Branche soll dann eine Aussage über die Preiswürdigkeit der Aktie getroffen werden. Je niedriger das KGV einer Gesellschaft im Vergleich zur Branche oder zum Gesamtmarkt ist, umso preiswerter ist demnach die Aktie, je höher das KGV einer Gesellschaft ist, umso teurer ist die Aktie. Das KGV-Konzept kann auch zur Bewertung von nicht börsennotierten Unternehmen, wie etwa bei der Emissionspreisfestsetzung, verwendet werden, indem der Gewinn der nicht-börsennotierten Gesellschaft mit dem Durchschitts-KGV der Branche bewertet wird. In einer zweiten Betrachtungsweise wird das KGV aus dem Gewinnmodell abgeleitet. Bei Umformung der Marktwertformel des Gewinnmodells bei gegebenem heutigen Kurs P0 kann das KGV auch als Kehrwert des Diskontierungszinssatzes interpretiert werden. Marktwert-Buchwert-Verhältnis (MBV): Das MBV ist gleich dem Quotient aus dem Marktwert einer Aktie und dem bilanziellen Eigenkapital pro Aktie: MBV= Ko / BEKo. Der buchhalterische Gewinn der Periode eins G! kann in Abhängigkeit von dem bilanziellen Eigenkapital im Bewertungszeitpunkt BEKq und der Eigenkapitalrentabilität ROE geschrieben werden: G!=BEKo*ROE. Wird dieser Ausdruck in die Bewertungsgleichung des Dividendenwachs- tumsmodells eingesetzt, dann ergibt sich das MBV zu MBV=(RoE-g)/(i-g). Ist dieser Quotient größer als 1, dann wird Wert geschaffen, ist er kleiner als 1, dann wird Wert vernichtet. Es gilt der Grundsatz: Je niedriger das Marktwert-Buchwert-Verhältnis im Vergleich zum Referenzmaß, um so preiswerter ist eine Aktie, je höher das Verhältnis, um so teurer ist sie. Diese Interpretation ist analog der Deutung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses mit Vorsicht zu sehen. Empirische Untersuchungen zeigen, dass Unternehmen mit hohen MBV geringer auf Anlageempfehlungen reagieren als Unternehmen mit niedrigen MBV. Kurs-Cash-Flow-Verhältnis (KCV): Das KCV als Quotient aus dem Cash Flow pro Aktie und dem Kurs pro Aktie erlaubt eine erste Einschätzung des Aktienkurses auf Basis der finanzwirtschaftlichen Situation der Unternehmung. Analog zu der Interpretation des KGV kann das KCV als Preismaßstab und als reziproker Diskontierungsfaktor eines Rentenbarwertmodells gedeutet werden. Je niedriger ceteris paribus das KCV einer Gesellschaft im Vergleich zur Branche oder zum Gesamtmarkt ist, umso preiswerter ist die Aktie. Als wesentlicher Vorteil des KCV im Vergleich zum KGV wird häufig angeführt, dass der Cash Flow weniger anfällig gegenüber bilanzpolitischen Spielräumen ist und sich damit für unternehmensübergreifende Betriebsvergleiche besser eignet. Analog zur Ermittlung einer objektivierten Gewinngröße haben DVFA/SG ein Schema zur Berechnung eines objektivierten, sowohl für Zeit- und Unternehmensvergleiche geeigneten Cash Flow entwickelt. 3.2 Cash Flow als Maßstab der Wertermittlung 3.2.1 Discounted Cash Flow- (DCF-) Modelle Nach den DCF-Modellen sind nicht Gewinne, sondern potentiell verfügbare Cash Flows aus dem Unternehmen wertbegründend für die Gesellschafteranteile. Die DCF-Methoden gehen von einer Vollausschüttungsfiktion der entziehbaren Zahlungsüberschüsse aus. In Abhängigkeit von dem Rechenschema zur Ermittlung des Eigenkapitalmarktwertes (Shareholder Value) können verschiedene DCF-Varianten unterschieden werden. Dies sind der Equity- beziehungsweise Flow-To-Equity-(FTE-)Ansatz und der Entity-Ansatz. Letzterer mit den Varianten Weighted-Average-Cost-Of-Capital-(WACC-)Ansatz, Total Cash Flow-(TCF-)Ansatz und Adjusted-Present-Value-(APV-)Ansatz. Je nach Methode kommen unterschiedliche Cash Flows und Diskontierungszinssätze zur Anwendung, wobei alle Methoden grundsätzlich nominell prognostizierte Cash-Flows mit nominellen Kalkulationszinsfüßen diskontieren. Weighted-Average-Cost-Of-Capital-(WACC-)Ansatz: Nach dem WACC-Ansatz erfolgt eine indirekte Ermittlung des Shareholder Value. In einem ersten Schritt wird ein Unternehmensgesamtwert ermittelt, in dem die erwarteten Zahlungen an das Gesamtkapital mit den konstanten Gesamtkapitalkosten WACC diskontiert werden. Wird von dem solcherart ermittelten Unternehmensgesamtwert der Marktwert des Fremdkapitals subtrahiert, dann erhält man den Marktwert des Eigenkapitals. Der Diskontierungszinssatz WACC wird als gewichteter Durchschnitt aus Fremdkapital- und Eigenkapitalkosten berechnet. Die Eigenkapitalkosten beziehungsweise Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber werden im allgemeinen mit dem CAPM abgeleitet. Die von einer anteiligen Fremdfinanzierung induzierten Steuervorteile, die in der Berechnung des Free Cash Flow nicht erfaßt wurden, werden im Diskontierungszinssatz WACC berücksichtigt. Total Cash Flow-(TCF-)Ansatz: Nach dem TCF-Ansatz erfolgt ebenfalls eine indirekte Ermittlung des Eigenkapitalmarktwertes. Im Gegensatz zum WACC-Ansatz wird jedoch der Steuervorteil aus der Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen bereits im zu diskontierenden erwarteten Cash Flow berücksichtigt. Der kapitalkostenmindemde Steuerfaktor im WACC- Diskontierungszinssatz entfällt bei dieser Methode. Bewertungsmaßstab ist mithin der jährliche Total Cash Flow, wie er sich aus dem Free Cash Flow zuzüglich der Steuererspamis aus der Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen (Tax Shield) ergibt. Adjusted Present Value-(APV-)Ansatz: Nach dem APV-Ansatz wird zunächst der Unternehmensgesamtwert unter der Annahme vollständiger Eigenfinanzierung ermittelt, indem die künftigen erwarteten Free Cash Flows mit den Eigenkapitalkosten bei vollständiger Eigenfinanzierung diskontiert werden. In einem zweiten Schritt wird der Steuervorteil aus der anteiligen Fremdfinanzierung als Barwert der künftigen Tax Shields ermittelt und dem Unternehmensgesamtwert bei unterstellter vollständiger Eigenfinanzierung hinzuaddiert. Um den Marktwert des Eigenkapitals zu bestimmen, wird von dem solcherart ermittelten Gesamtwert der teilweise fremdfinanzierten Unternehmung der Marktwert des Fremdkapitals subtrahiert. Flow to Equity-(FTE-)Ansatz: Nach dem FTE-Ansatz erfolgt eine direkte Ermittlung des Shareholder Value, in dem die Zahlungen an das Eigenkapital nach Zinsen und Steuern (Flow to Equity) mit den Eigenkapitalkosten bei anteiliger Fremdfinanzierung diskontiert werden.Im Rahmen der Fundmentalanalyse wird dem WACC-Ansatz in Theorie und Praxis im allgemeinen die größte Beachtung beigemessen. Die Ermittlung des Shareholder Value nach dem WACC-Ansatz ist transparent und leicht nachvollziehbar. 3.2.2 Übergewinn-Modelle Übergewinn-Modelle verknüpfen regelmäßig bilanzielle Bestandsgrößen mit erfolgwirtschaftlichen Stromgrößen und fmanzwirtschaftlichen Zielgrößen und versuchen die Entwicklung des Shareholder Value beziehungsweise der ihn bedingenden Wertbeiträge im Zeitablauf zu messen. Übergewinn-Modelle wurden unter anderem von Stern Stewart & Co. (Economic Value Added, Stewart [1991]), McKinsey & Company (Economic Profit, Copeland/Koller/Murrin [1996]), London Business School (Added Value) und Boston Consulting Group (Cash Value Added) entwickelt. Im weiteren Sinne ist auch der von Rappaport (1986) entwickelte Shareholder-value-added-Ansatz zu der Gruppe der Übergewinn-Modelle zu zählen. Als wohl bekanntester Vertreter von Übergewinn-Modellen ist der Economic Value Added-(EVA-)Ansatz von Stewart (1991) zu nennen. Die zentrale Botschaft der Shareholder-value-Modelle lautet: Ein Mehrwert für die Kapitalgeber wird geschaffen, wenn die mit dem eingesetzten Kapital erzielte Rendite größer ist als die von den Kapitalgebern geforderte Rendite. Nach dem EVA-Konzept wird der Gesamtunternehmenswert in eingesetztes Kapital und Barwert künftiger "Übergewinne" aufgespalten. Diese Aufspaltung basiert auf einem einfachen Kapitalwertkalkül, nach dem der Kapitalwert eines Projektes gleich dem Barwert künftiger Zahlungen abzüglich der Anschaffungsausgabe ist. Der in einer Periode t geschaffene Mehr- bzw. Minder-Wert beläuft sich im Modell auf (ROICt - WACC)*KBtl und wird als Economic Value Added (EVA) der Perode t bezeichnet. Werden die Barwerte der EVAs aller künftigen Perioden aufsummiert, dann ergibt sich der sogenannte Market Value Added (MVA). Er beschreibt den das eingesetzte Gesamtkapital übersteigenden Betrag des Barwertes künftiger Gesamtkapitalzahlungen. Das von Stewart entwickelte EVA-Konzept soll primär der Wertermittlung und der Performancemessung dienen. Die in das Modell eingehenden EVA-Beiträge zeigen, welche Performance das Management in den einzelnen Perioden erreichen muss, soll ein als Barwert künftiger EVAs ermittelte Market Value Added gerechtfertigt sein. 3.2.3 Value Driver-Modelle Value Driver-Modelle wollen die finanzwirtschaftliche Zielgröße des Shareholder Value über kausale Ursache-Wirkungsbeziehungen mit seinen Einflussfaktoren verknüpfen. Hierzu wird der Shareholder Value in einer schrittweisen Analyse in seine als Value Drivers (Werttreiber) bezeichnete finanziellen HauptEinflussfaktoren aufgespalten. Die Modelle sind damit sowohl für die Analyse vergangener als auch füir die Prognose zukünftiger Ergebnisentwicklungen geeignet. Durch Vergleich der unternehmensspezifischen Ausprägungen der Einflussfaktoren mit unternehmensübergreifenden Soll- bzw. Durchschnittswerten einer Branche können Schwachstellen des Unternehmens lokalisiert werden. Value Driver-Modelle sind keine Sammlung isolierter Kennzahlen, sondern ein Geflecht von Ursache-Wirkungsbeziehungen, das die Strategie des Unternehmens und das finanzwirtschaftliche Ergebnis der Eigentümer widerspiegelt. Der Einsatz von Value Driver-Modellen ist daher grundsätzlich für folgende Fragestellungen von Bedeutung. Zeitvergleich: Wie ist die Free Cash Flow-Entwicklung einer Unternehmung im Zeitablauf zu interpretieren? Unternehmens-/ Branchenvergleich: Wie ist die Free Cash Flow-Entwicklung einer Unternehmung im Vergleich zu anderen Unternehmen der Branche zu werten? Cash Flow-Analyse: Welche Faktoren zeichnen für einen bestimmten Free Cash Flow verantwortlich? Value Based-Management: Wie kann das Shareholder-value-Konzept gegenüber Managern und Mitarbeitern kommuniziert werden? Sensitivitätsanalyse: Wie stark reagiert der Shareholder Value auf bestimmte Veränderungen der Werttreiber? Prognose: Wie können künftige Free Cash Flow Entwicklungen abgeschätzt werden? Die wichtigsten Value Driver-Modelle wurden von den bereits erwähnten Autoren Rappaport (1986), Copeland/Koller/Murrin (1996) und Stewart (1991) entwickelt. Diese Modelle unterscheiden sich einerseits im Hinblick auf die verwendete Bewertungsmethode zur Ermittlung des Shareholder Value (z.B. WACC-, APV- oder EVA-Ansatz), andererseits in der konkreten Definition der Werttreiber und ihrer funktionalen Abhängigkeiten. Die Notwendigkeit des Unternehmenswachstums zur Steigerung des Shareholder Value wird dabei von den Vertretern aller Modelle besonders betont. Nach diesen Modellen kann ein Mehrwert für die Eigentümer geschaffen werden, wenn es u.a. gelingt, die Investitionsrendite bestehender und künftiger Investitionen zu steigern, die Kapitalkosten zu senken oder wertschaffendes Wachstum zu realisieren. 3.3 Unternehmensmultiplikatoren Unternehmensmultiplikatoren beginnen, vereinfacht gesagt da, wo die Diskontierungsmodelle aufhören, bei der Barwertformel einer unendliche Zahlungsreihe. Danach gilt: K0 = G/i. Setzt man den Kehrwert des Diskontierungsfaktors 1/i = M so erhält man Ko = G*M, wobei der Faktor M den sogenannten Gewinnmultiplikator beschreibt. Die anderen Symbole haben die bisherige Bedeutung. Der Unternehmenswert berechnet sich als ein Vielfaches des Gewinnes. Welche Unterschiede gibt es zwischen den verschiedenen Multiplikatoren? Auf einem vollkommenen Markt ohne Datenprobleme und ohne Unterschiede zwischen normativen und positiven Fragestellungen (alles ist immer so wie es sein soll) macht diese Differenzierung wenig Sinn. In der Realität der unvollkommenen Märkte ist diese Differenzierung sehr hilfreich. Rein mathematisch gesehen, sind die möglichen Umformungen zwar gleichwertig. Ökonomisch ist mit der Umformung auch die Frage der Datenverfügbarkeit angesprochen. Sie macht regelmäßig die Umformung nicht gleichwertig. Diese Frage sei an dem Gewinn-Multiplikator erläutert. Ist z.B. der in einer Branche übliche Multiplikator für Gewinne zur Berechnung des Unternehmenswertes bekannt, so kann der einem Unternehmen bei einer gegebenen Gewinngröße üblicherweise beigemessene Wert ermittelt und z.B. mit dem tatsächlich verlangten Kaufpreis verglichen werden. Sind andererseits Gewinn und Kaufpreis(-forderung) bekannt, so kann aus dem Vergleich des spezifischen Multiplikators mit Branchenmultiplikator die Angemessenheit des Multiplikators ermittelt werden. Der bekannteste Multiplikator ist das bereits besprochene Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Entsprechend den früheren Ausführungen kann man Multiplikatoren zu verschiedenen fundamentalen Ertragsgrößen bestimmen. Die Höhe der Multiplikatoren sind natürlich den jeweiligen Ertragsgrößen entsprechend zu standardisieren: z.B. werden die Multiplikatoren der Cash Flow bzw. Free Cash Flow Größen in anderen Größenordnungen liegen als die Multiplikatoren der Ertragsgrößen oder die der Umsatzgrößen. Die Aussagefähigkeit dieser Multiplikatoren ist ohne Frage wesentlich von der richtigen Einschätzung der laufenden und künftigen Entwicklung der verwendeten Größen abhängig. Sind Steuerzahlungen von der Finanzierungsform abhängig, dann muss der Unternehmenswert nicht mehr unabhängig von der Kapitalstruktur sein. In der Literatur werden dann auch unterschiedliche Steuersysteme im Hinblick auf ihren Einfluss auf Finanzierungsentscheidungen untersucht. Die verschiedenen DCF-Varianten unterstellen im allgemeinen ein einfaches Steuersystem mit einem linearen Steuersatz und der Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen auf der Unternehmensebene. In diesem Fall korreliert der Unternehmenswert positiv mit dem Verschuldungsgrad, so dass im Modell nahezu vollständige Fremdfinanzierung anzustreben ist. 3.4 Aktuelle Entwicklungen: Unternehmenswertanalyse unter Risiko Die Relevanz der Kapitalstruktur wird auch mit einer von der Kapitalstruktur abhängigen Konkurswahrscheinlichkeit erklärt. Die diesbezüglich entwickelten Modelle definieren die Marktwerte der Kapitalpositionen, mit oder ohne unmittelbaren Kapitalmarktbezug, als Barwerte künftiger riskanter, d.h. mehrwertiger Zahlungen. Bei Annahme riskanter Erwartungen können die künftigen Kapitalgeberzahlungen nicht mit Sicherheit, sondern nur mit Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden. Es besteht sowohl ein Schwankungsrisiko bezüglich künftiger Ergebnisausprägungen als auch ein Konkursrisiko für die Unternehmung. Im Folgenden seien zwei Ansätze zur Unternehmenswertanalyse unter Risiko vorgestellt, die den Unternehmenswert als Barwert künftiger Zahlungen modellieren: Das Modell von Hurley/Johnson (1994) mit modellexogen vorgegebener Konkurs Wahrscheinlichkeit und das Modell von Landes/Loistl (1991) mit modellendogener Konkurs Wahrscheinlichkeit. Während das Modell von Hurley/Johnson primär auf die Ermittlung des Eigenkapitalmarktwertes bei Risiko und Unternehmens Wachstum gerichtet ist, steht im Modell von Landes/Loistl die Ermittlung des Eigenkapitalmarktwertes unter Beachtung der wechselseitigen Interdependenzen zwischen Illiquiditätsrisiko, Schwankungsrisko der Ergebnisse, Kapitalstruktur und Eigenkapitalmarktwert im Vordergrund der Betrachtung. Das Modell erlaubt dann auch Aussagen bezüglich der Barwerte von Eigen-, Fremd- und Gesamtkapital in Abhängigkeit von dem Verschuldungsgrad, dem jährlichen erwarteten Free Cash Flow, der Streuung des jährlichen Free Cash Flow sowie von diversen Zins- und Tilgungsmodalitäten, wie zum Beispiel Moratorien und sanktionsfreien Unterdeckungen des Free Cash Flow. Das Dividend-Discount-Modell von Hurley/Johnson (1994) ist ein einstufiges Bewertungsmodell mit riskanter Dividendenentwicklung, modelliert als ein Markov-Prozess mit diskreter Zeit und diskretem Zustandraum. Die Dividende kann in einer Periode steigen, gleich bleiben oder auf null fallen. Im letzten Fall geht die Unternehmung in Konkurs und stellt ihre Zahlungen an die Kapitalgeber ein, der Strom an Dividendenzahlungen bricht ab. Die empirische Relevanz eines Modells, das den Konkurs der Unternehmung bei einem Dividendenausfall annimmt, ist jedoch nicht überzeugend, da gerade prosperierende Wachstumsunternehmen häufig keine Dividende ausschütten und dennoch von keiner Konkursgefährdung bedroht sind. In Weiterfuhrung der grundlegenden MM-Konzeption wird von Landes/Loistl (1991) der Marktwert des Eigenkapitals als Barwert künftiger riskanter Zahlungen definiert. Die jährlichen Zahlungen an das Eigenkapital werden aus dem jährlichen Free Cash Flow bestritten. Der Free Cash Flow der Unternehmung ist analog der bisher verwendeten Begriffsabstimmungen als ein um Investitionen verminderter finanzwirtschaftlicher Überschuss zu verstehen, der für Zins- und Tilgungszahlungen sowie für Zahlungen an die Aktionäre zur Verfügung steht. Investitionen werden in Höhe der Abschreibungen angesetzt und dienen dem Erhalt der Kapazität. Erweiterungsinvestitionen ins Anlagevermögen und Working Capital, die für ein etwaiges Unternehmenswachstum vorzunehmen sind, können eingebaut werden. Um die kapitalstrukturbedingten Leverage-Wirkungen analysieren zu können, bleiben Steuerwirkungen im Grundmodell außer Betracht. Gegenstand der Bewertung bei Landes/Loistl ist eine mehrperiodige Zahlungsreihe mit riskanten Free Cash Flows. Das Risiko der Zahlungsreihe besteht in zweierlei Hinsicht: einerseits schwanken die Free Cash Flows im Zeitablauf (Schwankungsrisiko), andererseits existiert stets die Gefahr des finanziellen Ruins der Unternehmung (Illiquiditätsrisiko). Aus der Modellstruktur resultiert sowohl für das Eigen- als auch für das Fremdkapital eine Wahrscheinlichkeitsverteilung des Barwertes, deren konkrete Ausprägung primär von der Höhe des Fremdkapitals, vom jährlichen Fremdkapitaldienst, von der durchschnittlichen Ertragskraft der Unternehmung (ausgedrückt als durchschnittliche jährliche Investitionsrendite), von der Schwankungsbreite der jährlichen Ertragskraft (ausgedrückt als Standardabweichung der jährlichen Investitionsrendite) sowie von der Höhe des konkursunabhängigen Kalkulationszinssatzes bestimmt wird. 4. Corporate Governance Corporate Governance (CG) ist für professionelle Finanzanalysten und Investoren ein notwendiges Instrumentarium der modernen Finanzanalyse zum Ausgleich der aktuellen Defizite der tradierten Bewertungsverfahren, insbesondere bei der Evaluierung von innovativen Wachstumswerten. Das Konzept betrachtet Kompetenzen, Kommunikation und Kontrolle von Entscheidungsgremien einer Unternehmung. Diese sogenannten soft facts sind für die Evaluierung einer Unternehmung in einem volatilen Umfeld mit der Entwicklung von materiellen zu immateriellen Produktionsfaktoren von maßgeblicher Bedeutung. Sie geben an, wie die Entscheidungsträger die gebotenen Freiräume wertsteigemd nutzen. Die Kompetenzabgrenzung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionären ist auch Gegenstand mehrere Gesetze, z.B. KonTraG, KapAEG, KapCoRiLiG und Gesetzes Vorhaben, z.B. Übernahmegesetz, 4. Finanzmarktförderungsgesetz. Der Stellenwert dieses Themas ist auch in den von der OECD erlassenen Corporate Governance Principles festgeschrieben. Die Deutsche Grundsatzkommission Corporate Governance hat Grundsätze ausgearbeitet, die der Verwirklichung einer verantwortlichen, auf Wertschöpfung ausgerichteten, Leitung und Kontrolle von Unternehmen und Konzernen dienen. Wenn auch der Name einen angelsächsischen Ursprung dieser Themenstellung suggeriert, so ist doch festzustellen, dass im deutschsprachigen Raum die Führungs- und Entscheidungsstruktur einer Unternehmung im Mächtedreieck Vorstand, Aufsichtsrat, Aktionäre Thema einer intensiven Diskussion im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts waren. In der aktuellen Diskussion sind folgende Aspekte von großer Bedeutung für die Evaluierung eines Unternehmens: Corporate Governance Commitment sowie Transparenz über die Unternehmensentwicklung und in der Rechnungslegung, Kommunikation zwischen den Entscheidungsgremien und mit den Investoren. 5. Ausblick Die tradierte Fundamentalanalyse wird zunehmend durch die Analyse sogenannter Softfaktors ergänzt. Insgesamt kann man jedoch feststellen, dass die Analyse von fundamentalen Faktoren eine verlässlichere Kursprognose und damit Performance von Portfolios zu erzielen erlaubt als die technische Analyse. Literatur COPELAND, T./KOLLER, T./MURRIN, J. (1996), Valuation. Measuring and Managing the Value of Companies, New York. HURLEY, W.J./JOHNSON, L.D. (1994), A Realistic Dividend Valuation Model, in: Financial Analysts Journal, Vol. 50, July-August, 1994, S. 50-53. LANDES, T./LOISTL, O. (1991), Capital Structure, Principal/Agency-Relation and the Value of the Corporation: A Simulation Study, in: Omega, Vol. 19, No. 4, 1991, S. 291-303. RAPPAPORT, A. (1986), Creating Shareholder Value, New York. STEWART, G.B. (1991), The Quest for Value, New York.
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