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Banklexikon
Ausgabe 2014
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Shareholder Value

1.  Einführung Trotz seiner mittlerweile weit über die Grenzen der Wirtschaft hinausgehenden Bedeutung lässt sich für ’’Shareholder Value” bis heute keine einheitliche Definition finden. Der Begriff wird teils normativ, teils positiv verwendet; manchmal geht es um ein Konzept und manchmal um dessen Operationalisierung beziehungsweise Umsetzung. Die gemeinsame Tendenz aller bekannten Definitionen ist dennoch klar: Die Geschäftspolitik einer Aktiengesellschaft soll an der Steigerung des Aktionärsvermögens ausgerichtet sein. Manchem mag dieses Desideratum innerhalb einer zumindest dem Namen nach marktwirtschaftlich verfaßten Wirtschaftsordnung mit Recht als nichtssagende, weil tautologische Platitüde oder als publikumswirksame Wiederbelebung theoretischer Grundlagen erscheinen, die bereits vor Jahrzehnten entwickelt wurden. In der Tat zeigt sich, dass die normative Rechtfertigung des Shareholder Value auf dem empirisch beobachtbaren Erfolg der Markt- über die Planwirtschaft beruht. 2.  Shareholder Value als normatives Konzept Da in einer Welt ohne Informationsprobleme beide Ordnungsprinzipien dieselben Allokations- leistungen aufweisen, dürfte die entscheidende Ursache für diesen Erfolg marktwirtschaftlich ausgestalteter Wirtschaftsordnungen in der besseren Verarbeitung von asymmetrisch verteilten Informationen liegen. Sind Informationen auf die einzelnen Marktteilnehmer asymmetrisch verteilt, so kann die Verfolgung von Effizienzkriterien nicht mehr problemlos von Verteilungsaspekten getrennt werden, weil Individuen eigennützig ihre Informationsvorteile ausnutzen und sich nicht so verhalten werden, dass ein gesellschaftliches Optimum zustande kommt, das bei symmetrischer Informationsverteilung theoretisch erreichbar wäre. Wie nahe man dem unerreichbaren Optimum kommt, hängt nunmehr davon ab, inwieweit es trotz asymmetrischer Informationsverteilung gelingt, die gesellschaftlichen Folgen individuellen Handelns auf das handelnde Individuum zurückzuverlagem. Eine ökonomisch richtig verstandene Ausgestaltung von Verfügungsrechten muß sich also an ihrer Stellung innerhalb eines Anreizsystems orientieren, das eine weitestmögliche Zurechnung von Entscheidungsfolgen zum Ziel hat. In der Marktwirtschaft wird der Forderung nach individueller Zurechnung von Entscheidungsfolgen dadurch Rechnung getragen, dass man von privatautonomen Entscheidungsträgem die Beachtung der abstrakten Regeln des Marktes verlangt, aber an niemanden darüber hinausgehende Forderungen stellt. Über den Ausgleich von Angebot und Nachfrage finden die Individuen über Marktpreise zu einem auch gesellschaftlich effizienten Interessenausgleich. Obwohl Anbieter und Nachfrager im Eigeninteresse handeln und möglichst hohe beziehungsweise niedrige Preise erzielen wollen, wird durch den Marktprozess bewirkt, dass die tatsächlich erzielten Preise die Knappheitsrelationen der Ressourcen widerspiegeln und damit auch zu einem gesellschaftlich gewünschten Ergebnis führen. Die dabei am Markt aufgrund freiwilliger Vereinbarungen erzielten ’’Kontrakteinkommen” dienen zunächst der Finanzierung von Vorleistungen, die von anderen Marktteilnehmern bezogen werden; was dem einzelnen danach als persönliche Dispositionsmasse verbleibt, wird als "residuales Einkommen” bezeichnet. Aus dieser Sicht ist jeder Marktteilnehmer ein ’’residual claimant”, der von der Unsicherheit der in Zukunft am Markt herrschenden Austauschbedingungen betroffen ist. Wichtig erscheint nun, dass ein marktwirtschaftliches System zwar ex post die Zahlung vereinbarter Kontrakteinkommen, nicht aber ex ante ein gewünschtes Niveau von Residualeinkommen gewährleisten soll. Damit korrespondiert jedoch gleichzeitig, dass derjenige, der das Risiko des Residuums trägt, in seinen Entscheidungen über den Einsatz seiner Ressourcen keinen weiteren Beschränkungen unterliegen sollte als jenen, die durch die realisierbaren Marktpreise und die allgemein herrschende Rechtsordnung gesetzt werden. Nur so wird sein Anreiz erhalten, durch ein Streben nach der Maximierung des Residuums zur bestmöglichen Ressourcenal- lokation in der Volkswirtschaft beizutragen.Bezogen auf Aktiengesellschaften heißt dies, dass ihre Führung unter der Maxime des Shareholder Value deshalb gesellschaftlich wünschenswert ist, weil die Aktionäre die Residual claimants der durch das Unternehmen produzierten Wirtschaftsleistung sind. Diese Verbindung von Einkommensansprüchen und Entscheidungs- beziehungsweise Zielvorgaberechten gilt zumindest im Bereich der Unternehmensfinanzierung weithin als selbstverständlich. Wollte man versuchen, diesen Zusammenhang zu lockern oder gar aufzulösen, so würden die Vorzüge des marktwirtschaftlichen Systems bei der Internalisierung von Entscheidungsfolgen aufs Spiel gesetzt. Diesem Umstand bei der Kompetenzverteilung auf Unterneh- mensebene Rechnung zu tragen heißt nicht, dass die Interessen der Eigentümer aus gesamtwirtschaftlicher Sicht Vorrang hätten vor den Belangen anderer ’’Stakeholder”; Arbeitnehmer, Lieferanten und sonstige von der Unternehmenstätigkeit "betroffene" Personen werden in einer Marktwirtschaft nämlich durch die herrschende Rechtsordnung und das Funktionieren des Preissystems geschützt: Ihre in Marktkontrakten fest fixierten Ansprüche gegen das Unternehmen sind zu erfüllen, bevor die Aktionäre sich aus dem Residuum befriedigen können. Die Maximierung des Shareholder Value findet also unter gewichtigen Nebenbedingungen statt, was bezeichnenderweise nur in wenigen einschlägigen Beiträgen thematisiert wird. Eine Berücksichtigung von Stakeholder-Interessen über diese Restriktionen hinaus führt dann zu der Gefahr, dass residuale Ansprüche ausgehöhlt und knappe Güter nicht mehr derjenigen Verwendung zugeführt werden, die gemessen an den Preissignalen des Marktes, des höchsten gesellschaftlichen Nutzen erwarten lassen. Die Verpflichtung der Unternehmensleitung auf die Interessen der Residualanspruchsberechtigten dient also indirekt der Verfolgung des Gemeinwohls; auf einem fundamentalen Irrtum hingegen beruht die weit verbreitete Vorstellung, die Belange der Allgemeinheit würden dann am meisten gefördert, wenn das Management direkt auf das Gemeinwohl statt auf die Interessen der Aktionäre verpflichtet wird. Mit der praktischen Umsetzung solcher Vorstellungen würde in letzter Konsequenz die Funktionsfähigkeit marktwirtschaftlicher Allokationsmechanismen unterminiert. Die Steigerung des Shareholder Value als einzelwirtschaftliches Entscheidungskriterium und die Einrichtung entsprechender Anreiz- und Kontrollmechanismen zur Steuerung von Unternehmensleitung und Belegschaft sind aus gesamtwirtschaftlicher Sicht also nicht darauf angelegt, die Eigentümer möglichst reich zu machen; vielmehr dienen diese institutioneilen Arrangements einer optimalen Versorgung der Märkte mit Gütern und Dienstleistungen, von der alle profitieren. Dieser "allgemeine Profit" wird letztlich nur dann zustande kommen, wenn die Anreize der Entscheidungsträger hinreichend konzentriert sind; eine diffuse Interessenbindung, die sich aus einer allgemeinen Betroffenheit ableitet, wird hingegen dazu führen, dass es sich für niemanden lohnt, sich in einer gesellschaftlich wünschenswerten Weise wirtschaftlich zu engagieren. 3.  Operative Umsetzung Als Unternehmenseigner sind die Aktionäre primär an der Maximierung des Werts der Eigenkapitaltitel interessiert, der in diesem Sinne eine operationale Entsprechung des Begriffs Shareholder Value bietet. Für die Bestimmung dieses Werts existieren zwei grundsätzliche Zugänge. Bei börsennotierten Gesellschaften lässt sich der Wert des Eigenkapitals vergleichsweise einfach am Aktienkurs ablesen. Unabhängig davon kann eine eigenständige Bewertung durchgeführt werden, die am aktuellen Verkehrs wert der Aktiva und Passiva oder/und am Gegenwartswert zukünftiger Zahlungsströme aus der Unternehmenstätigkeit ausgerichtet ist. Ein in diesem Sinne ermittelter "innerer" Wert des Unternehmens ist langfristig auch für die Börse die entscheidende Vorgabe für den Aktienkurs, weil finanzielle Ansprüche der Aktionäre nur durch die bestehende Substanz oder die dauerhafte Ertragskraft des Unternehmens befriedigt werden können. Da gut geführte Unternehmen ökonomisch einen höheren Wert aufweisen müssen als den um die Verbindlichkeiten bereinigten Wert der aufsummierten Vermögensgegenstände, kommt bei der Bestimmung des inneren Werts regelmäßig die Diskontierung zukünftiger Zahlungsströme zum Tragen. Ausgehend von dieser Überlegung wurde einer Reihe verschiedener alternativer Berechnungsverfahren für den Shareholder Value entwickelt, die sich vor allem hinsichtlich der folgenden Kriterien unterscheiden: Entweder wird direkt der Wert des Eigenkapitals ermittelt ("equity approach") oder es kommt zu einer Bewertung des gesamten Unternehmens mit anschließender Bereinigung um den Wert des Fremdkapitals ("entity approach"). Die Bewertung setzt direkt an den erwarteten Zahlungsströmen an ("Discounted Cash Flow- Verfahren") oder benutzt Erfolgsgrößen, die sich aus dem betrieblichen Rechnungswesen und einer barwertäquivalenten Umperiodisierung einzelner Cash-Werte ergeben. Steuerliche Effekte sowie die Unsicherheit der geschätzten Größen werden dadurch berücksichtigt, dass im Zähler der durch die Diskontierung erzeugten Brüche Korrekturgrößen eingefügt werden oder im Nenner der Kalkulationszinsfuß korrigiert wird. Der Einsatz dieser Berechnungsverfahren stößt in der Praxis auf Schwierigkeiten. Hauptgrund hierfür sind die durch Fremdfinanzierung hervorgerufenen Steuervorteile, die sinnvollerweise in eine Unternehmensbewertung integriert sein sollten. Da diese Vorteile jedoch zwangsläufig an die Höhe des Fremdkapitals gebunden sind, die wiederum auch vom Finanzierungsbedarf für künftige Steuerzahlungen abhängt, ergeben sich hier Probleme, die bei manchen Verfahren zu einem logischen Zirkel führen. Die Wahl des Bewertungsverfahrens wird sich deshalb nicht zuletzt nach der für die Zukunft absehbaren Kapitalstruktur des Unternehmens richten. Noch wichtiger erscheint es in diesem Zusammenhang jedoch, inwiefern über das gewählte Verfahren ein Bezug zu den Erfolgsquellen der operativen Unternehmenstätigkeit hergestellt und darauf aufbauend eine sinnvolle Bemessungsgrundlage für die variable Entlohnung des Managements gefunden werden kann. Eine der zentralen Botschaften Alfred Rappaports, der heute gemeinhin als der (Wieder-)Entdecker des Shareholder Value in den achtziger Jahren gilt, besagt, dass über eine geeignete Umformulierung des Cash Flow die Erwartungswerte für vier Rechengrößen als zentrale "Werttreiber" des operativen Geschäfts identifiziert werden können: Das Umsatzwachstum, die Umsatzrentabilität vor Unternehmenssteuem, die Steuersätze sowie die Neuinvestitionen. Die Antwort auf die Frage, inwiefern sich dadurch eine entsprechende Komplexitätsreduktion für Vorgaben der Unternehmenspolitik verwirklichen lässt, hängt vor allem davon ab, wie gut sich diese Parameter in der Praxis schätzen lassen. Angesichts der hohen Dynamik der globalisierten Wirtschaft erscheint es durchaus fraglich, ob die Konzentration auf diese Werttreiber eine hinreichende Grundlage für erfolgreiches Management bildet. Nicht nur aus diesem Grunde sind weder die Werttreiber noch betriebliche Cash Flows als (alleinige) Bemessungsgrundlage für eine anreizorientierte Managemententlohnung geeignet. Sowohl theoretische Erwägungen als auch die Entwicklung in der Unternehmenspraxis deuten eher darauf hin, dass sich um kalkulatorische Zinsen bereinigte Gewinne und aktienkursabhängige Größen oft besser als Bemessungsgrundlagen für die Managemententlohnung eignen. Eine methodische "Wunderwaffe" gegen alle mit der Operationalisierung des Shareholder-Value- Ansatzes verbundenen Probleme ist momentan jedenfalls nicht in Sicht. 4.  Ausblick Neben diesen Umsetzungsproblemen bleibt das Kernproblem des Shareholder Value, dass die Mehrzahl der Aktionäre in den für die Volkswirtschaft bedeutenden Publikumsgesellschaften nicht imstande ist, das Top-Management zu disziplinieren. Neben einem deformierten Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht liegt dies vor allem daran, dass ein wesentlicher Teil der Aktien regelmäßig von anderen Unternehmen und institutionellen Anlegern gehalten wird. Da in beiden Fällen nicht eigenes Geld verwaltet wird, ergibt sich für die Entscheidungsträger eine Reihe von Anreizen, die der Maximierung des Werts der Eigenkapitaltitel abträglich sind. Solange mediatisierter Aktienbesitz steuerlich begünstigt wird und die Durchsetzung individueller Aktionärsrechte auf prohibitive Hindernisse stößt, wird das Shareholder-Value-Prinzip nicht die Bedeutung erlangen, die ihm heute bereits von vielen Befürwortern und Gegnern nachgesagt wird. Literatur BALLWIESER, W. (1998), Unternehmensbewertung mit Discounted Cash Flow-Verfahren, in: WPg, 51. Jg., H. 3, 1998, S. 81-92. DRUKARCZYK, J. (1997), Wertorientierte Unternehmenssteuerung, in: ZBB, 9. Jg., H. 3,1997, S. 217-226. LAUX, H. (2000), Risikoteilung, Anreiz und Kapitalmarkt, 2. Aufl., Berlin u.a. RAPPAPORT, A. (1995), Shareholder Value. Wertsteigerung als Maßstab für die Unternehmensführung, Stuttgart. STEINER, M. / WALLMEIER, M. (1999), Unternehmensbewertung mit Discounted Cash Flow-Methoden und dem Economic Value Added-Konzept, in: FB, 1. Jg., H. 5, 1999, S. 1-10. WENGER, E. / KNOLL, L. (1999), Shareholder Value, in: Korff, W. et al. (Hrsg.), Handbuch der Wirtschaftsethik, Bd. 4, Gütersloh, S. 433-454. WENGER, E. (1996), Kapitalmarktrecht als Resultat deformierter Anreizstrukturen, in: Sadowski, D. u.a. (Hrsg.), Regulierung und Unternehmenspolitik, Wiesbaden, S. 419-458..        





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