Rating
Rating ist eine Methode zur Einstufung von Sachverhalten, Gegenständen oder Personen. Die Einstufung erfolgt dabei mit Hilfe einer Skala, d.h. einer in regelmäßige Intervalle aufgeteilten Strecke, auf der der Ausprägungsgrad (z.B. gut, mittel, schlecht) des zu klassifizierenden Objektes hinterlegt ist. Meist wird unter Rating das Ergebnis des Beurteilungsverfahrens verstanden. Dies ist eine entsprechend der zugrundeliegenden Ratingskala als Symbol, Zeichen oder Zeichenfolge ausgedrückte "Zensur". 1. Begriffsabgrenzung Ranking stellt ebenso wie Rating eine Methode zur Einstufung von Objekten dar. Im Gegensatz zum Rating ist hier die Zielsetzung jedoch die Einordnung der betrachteten Objekte in eine Rangfolge. Ein Ranking kann gegebenenfalls zu einem Rating verdichtet werden, indem bestimmte Untersuchungsobjekte zu einer Notenklasse zusammengefasst werden. Ein Rating kann dagegen nur in Ausnahmefällen in ein Ranking transformiert werden. Rankings dienen z.B. der Einstufung von Aktien oder Investmentfonds. 2. Anwendungsbereich Ratings werden u.a. im Bereich des Finanz- und Bankwesens, der Soziologie und Psychologie sowie im Marketing eingesetzt. Im Bereich des Finanz- und Bankwesens dienen Ratings der Beurteilung von Finanzierungstiteln oder Wirtschaftssubjekten. Das Rating eines Finanzierungstitels bzw. Wirtschaftssubjektes ist das in Form eines Symbols, eines Zeichens oder einer Zeichenfolge ausgedrückte Urteil über die Gesamtheit der betrachteten Merkmale des Finanzierungstitels bzw. Wirtschaftssubjektes. Ratings von Finanzierungstiteln können sich sowohl auf Beteiligungs- als auch Forderungstitel beziehen. Bei Beteiligungstiteln wie z.B. Aktien gibt das Rating Auskunft über die Ertragskraft oder andere Merkmale des Emittenten; oft wird auch von "Rating" gesprochen, wenn es um bloße Kauf-, Halte- oder Verkaufsempfehlungen bei Aktien geht. Bei Forderungstiteln stellt das Rating eine Meinung hinsichtlich der wirtschaftlichen Fähigkeit und rechtlichen Bindung eines Emittenten dar, die mit dem betrachteten Forderungstitel verbundenen Zahlungsverpflichtungen vollständig und rechtzeitig zu erfüllen. Ratings von Wirtschaftssubjekten stellen eine Meinung über deren allgemeine Zahlungsfähigkeit dar. Im Zusammenhang mit der Beurteilung von Wirtschaftssubjekten können von Ratingagenturen, d.h. auf Bonitätsanalysen spezialisierten Unternehmen, erstellte Ratings sowie von Banken erstellte sogenannte "interne Ratings" unterschieden werden. Die internen Ratings der Banken stellen nicht standardisierte, gegenüber Dritten nicht offengelegte Urteile über die Kreditwürdigkeit des betrachteten Wirtschaftssubjektes vom individuellen Risikostandpunkt der jeweiligen Bank im Hinblick auf mögliche Kreditlinien und Geschäftsarten dar. Sicherheiten sind in der Regel nicht Bestandteil des Urteilsfindungsprozesses. Die Ratings von Rating- agenturen dagegen sind an einen breiten Adressatenkreis gerichtet und rücken die Gläubigerposition eines Investors am Finanzmarkt sowie Risikoaspekte eines Emittenten in den Vordergrund. Neben der originären Zahlungsfähigkeit des Emittenten ist zusätzlich die Qualität der Besicherung des Forderungstitels für das Rating beeinflussend. Gegenstand der folgenden Betrachtungen sind Ratings von Ratingagenturen. Sie umfassen im Wesentlichen Ratings von Wirtschaftssubjekten, auch als Emittenten rating bezeichnet, sowie von Forderungstiteln, auch Emissionsrating genannt, und werden deshalb zusammenfassend auch als Credit Rating oder Kreditrating bezeichnet. 1. Ziele und Funktionen Voraussetzung für ein Rating von Ratingagenturen ist das Vorliegen eines Forderungstitels oder einer ähnlichen Anwartschaft auf zukünftige, im Voraus in ihrer Höhe fixierte Zahlungen eines Emittenten. Aktien werden von Ratingagenturen nicht eingestuft, da sie nur das Anwartschaftsrecht auf ein in seiner Höhe noch nicht bestimmtes Residualeinkommen verbriefen. Ausgenommen hiervon sind Vorzugsaktien aufgrund ihres Forderungstiteln ähnlichen Charakters. Ratingagenturen erstellen u.a. Ratings für kurz- und langfristige Schuldverschreibungen, Anleihen, Obligationen, Commercial Paper, Certificates of Deposit, Bankeinlagen, Forderungen aus Versicherungspolicen, Geldmarkt- und Rentenfonds, Emittentenratings sowie Länderratings. Länderratings stellen Bonitätseinstufungen von (in ausländischer Währung denominierten) Forderungen gegen einen Staat dar. In wachsendem Maße werden Ratings von Agenturen auch eingesetzt, um konsortialiter vergebene Bankdarlehen zu klassifizieren. Ratings werden in der Regel veröffentlicht und nehmen für eine Reihe von Adressaten, insbesondere Anleger, Emittenten und Institutionen der Marktaufsicht, vielfältige Funktionen wahr. 1.1 Funktionen für Anleger Ratings sind Meinungen über die Kreditwürdigkeit eines Emittenten und dienen Kapitalanle- gem damit als wichtiges Instrument für die Unterstützung von Investitionsentscheidungen bzw. Anlagestrategien. Ratings stellen jedoch keine Empfehlung hinsichtlich des Kaufs, Verkaufs oder Haltens eines Forderungstitels dar. Zwischen Rating und Zinsstruktur von Forderungstiteln besteht ein statistisch nachweisbarer Zusammenhang in der Form, dass ein durch ein niedrigeres Rating ausgedrücktes höheres Insolvenzrisiko eines Emittenten mit einer höheren Verzinsung des Forderungstitels einher geht. Da im Rating zum Teil auch nicht öffentlich verfügbare Daten berücksichtigt werden, trägt seine Publizierung zu einer höheren Informationseffizienz der Geld- und Kapitalmärkte bei. 1.2 Funktionen für Emittenten Da zahlreiche Marktteilnehmer ihre Investition am Rating ausrichten und insbesondere institutionelle Investoren von Anlagen ohne Rating gänzlich absehen, erschließen sich Emittenten durch das Rating einen breiteren Anlegerkreis. Ein Rating stellt für Emittenten einen wesentlichen Bestandteil des Finanzmarketings dar und kann zu einer Reduzierung der Kapitalkosten für die Emission von Forderungstiteln, zur Verstetigung zu gewährender Risikoprämien und damit zu einer Erhöhung der finanziellen Flexibilität führen. Darüber hinaus kann Rating zur Verbesserung des Unternehmensimages beitragen. Dies wird nicht zuletzt durch die Bereitschaft der Emittenten dokumentiert, die mit der Erstellung des Ratings verbundenen Kosten auch dann zu tragen, wenn als Ergebnis kein erstklassiges Rating zu erwarten ist. 1.3 Funktionen für Aufsichtsinstitutionen International setzen zahlreiche Aufsichtsinstitutionen im Bank-, Börsen- und Versicherungswesen Ratings als unterstützendes Instrument zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben ein. So wird z.B. das zulässige Anlagespektrum mit Hilfe von Ratings anerkannter Ratingagenturen definiert. Darüber hinaus besteht für Emittenten teilweise als Voraussetzung für eine Börsennotierung oder die Begebung von Forderungstiteln die Verpflichtung, ein Rating beizubringen. 4 Geschichtlicher Hintergrund Die ersten Ratingagenturen wurden um 1900 in den USA gegründet. Sie erstellten Ratings von Anleihen US-amerikanischer Eisenbahnunternehmen, wenig später kamen auch Ratings von Anleihen von Industrie- und Versorgungsunternehmen sowie Obligationen der öffentlichen Hand hinzu. Zu den weltweit führenden Ratingagenturen gehören die amerikanischen Unternehmen Moody’s Investor Service und Standard & Poor’s Corporation. Viele Agenturen sind in Medienkonzerne integriert. Größte rein europäische Ratingagentur war bis zu Beginn der 1990er Jahre das englische Unternehmen IBCA Ltd.. Seit der Fusion mit der amerikanischen Ratingagentur Fitch Investors hat Fitch IBCA eine internationale Ausrichtung. Ratingagenturen werden in der Regel als erwerbswirtschaftliche Unternehmen geführt, wobei die erhobenen Ratinggebühren als Mechanismus zur Sicherung der Unabhängigkeit der Ratingagenturen dienen. Typisch ist eine Gliederung der Unternehmen in Abteilungen, die jeweils für spezifische Branchen und Länder zuständig sind. Aufgrund der hohen Verantwortung, die den Ratingagenturen im Rahmen ihrer Funktion auf den nationalen und internationalen Finanzmärkten zukommt, müssen bestimmte Mindestanforderungen an die Arbeitsweise, Zuverlässigkeit und Unabhängigkeit der Agenturen gestellt werden. In Japan und den USA wird die Akzeptanz staatlich überprüft und durch eine offizielle Anerkennung als "nationally recognized statistical rating organization" bestätigt. Diese Mindestanforderungen umfassen u.a. Hygienefaktoren wie Objektivität im Sinne von Unabhängigkeit, Verfahrenstransparenz im Sinne von Plausibilität, Qualität, d.h. Fehlerlosigkeit, und Aktualität der verwendeten Informationen, Qualität der Ratinganalysten bezüglich Ausbildung, Sorgfalt, Sachlichkeit und Verschwiegenheit sowie Kontinuität und Komparabilität der Ratings, d.h. Vergleichbarkeit in zeitlicher und sachlicher Hinsicht. Erfolgsfaktoren für Ratings sind ein klarer Zielgruppenfokus, eine eindeutige Risikodefinition, hohe Publizität, Wirtschaftlichkeit der Analyse sowie Zukunftsorientierung. 5 Darstellung des zugrundeliegenden Modells 5.1 Ratingskalen, -symbole und -definitionen Das Rating wird mit Hilfe von Ratingsymbolen einer ordinalen Skala ausgedrückt, wobei jedes Ratingsymbol durch eine spezifische Definition des Bonitätsgrades des betrachteten Emittenten bzw. des betrachteten Forderungstitels bestimmt ist. Für die Einstufung von kurz- und langfristigen Forderungstiteln werden unterschiedliche Skalen verwendet. Die Unterscheidung von kurzfristigen und langfristigen Ratings erfolgt anhand der Ursprungslaufzeit des Forderungstitels. Kurzfristige Ratings werden für Forderungstitel vergeben, die zum Begebungszeitpunkt eine Laufzeit von weniger als einem Jahr haben, langfristige Ratings für Forderungstitel mit einer Laufzeit von mindestens einem Jahr. Die Skalen für kurzfristige Ratings beinhalten weniger Symbolstufen. Beim langfristigen Rating erfolgen innerhalb der Ratingsymbole Feinabstufungen durch Plus- und Minussymbole bzw. die Ziffern 1, 2 und 3. Sie geben die relative Stellung eines Emittenten innerhalb seiner Ratingkategorie an. Sowohl bei kurzfristigen als auch bei langfristigen Ratings werden "investment grade" und "speculative grade" unterschieden. Diese Terminologie wurde in erster Linie von den Aufsichtsbehörden geprägt. Unter die Kategorie "investment grade" fallen Forderungstitel und Emittenten, bei denen das Bonitätsrisiko als relativ gering anzusehen ist. Spekulative Ratings sind Ausdruck eines besonders hohen Maßes der Gefährdung des Kapitaldienstes und der Tilgung. Aufsichtsbehörden schließen zum Teil insbesondere für institutioneile Anleger Anlagewürdigkeit für Forderungstitel der spekulativen Kategorie aus. In den USA ist ein "investment grade" Rating im kurzfristigen Anlagebereich faktisch Voraussetzung für den Eintritt in den Geldmarkt. Das Herabsetzen eines Ratings in den spekulativen Bereich führt in der Regel zum Ausscheiden des Emittenten aus dem Markt. Die Unterscheidung von kurz- und langfristigen Ratings ergibt sich neben Unterschieden in den Bonitätsrisiken aus den unterschiedlichen Informationsbedürfnissen von kurz- und langfristigen Investoren. Der analytische Ansatz für die Beurteilung von kurz- und langfristigen Forderungstiteln ist sehr ähnlich. Beim kurzfristigen Rating werden jedoch zusätzlich Liquiditätsaspekte und die finanzielle Flexibilität des Emittenten im betrachteten Zeitraum betont. Das langfristige Rating kann entscheidend von gewährten Sicherheiten und Schutzbestimmungen in Anleiheverträgen bestimmt sein. Das kurzfristige Rating bezieht sich dagegen meist auf eine unbesicherte, nicht nachrangige Verbindlichkeit des Emittenten. Während das langfristige Rating mehr der Beurteilung des relativen Bonitätsrisikos und der Angemessenheit des im Zins gewährten Risikoentgelts dient, zielt das kurzfristige Rating auf die Einstufung des absoluten Bonitätsrisikos. Damit liefern kurzfristige Ratings die informatorische Basis für eine risikoaverse Anlagepolitik. Die von kurzfristigen Anlegern angelegten Mittel müssen meist nach einem vorgegebenen Zeitraum für bestimmte Zwecke wie z.B. Zins- und Tilgungszahlungen für Verbindlichkeiten zur Verfügung stehen. Damit sind diese Anleger in erster Linie an der vollständigen und rechtzeitigen Verfügbarkeit des Anlagebetrages interessiert. Während dieser Aspekt auch von langfristigen Investoren ins Kalkül gezogen wird, sind diese jedoch in der Regel bereit, einen gewissen Grad an Bonitätsrisiken zu tolerieren, wenn dieser entsprechend in einer Risikoprämie zum Ausdruck kommt Zwischen kurz- und langfristigem Rating eines Emittenten besteht in der Regel eine enge Korrelation. 5.2 Ratingverfahren Das Ratingverfahren umfasst den Prozess bis zum Vorliegen eines Ratings. Die Dauer kann je nach Dringlichkeit zwischen drei Monaten und wenigen Tagen betragen. Die Auslösung des Ratingverfahrens ist mit und ohne Auftrag des beurteilten Emittenten möglich. Ratingagenturen fordern häufig auf eigene Initiative Emittenten auf, mit ihnen ein Ratingverfahren durchzuführen. Ratings, die ohne Auftrag und informatorische Unterstützung des Emittenten erstellt werden, basieren in der Regel lediglich auf öffentlich zugänglichen Informationen, so dass die Agenturen eine Reihe von Kriterien nur unter vorsichtigen Annahmen beurteilen können. Dies wirkt sich tendenziell negativ auf das Rating des Emittenten aus. Da das Rating die Konditionen beeinflusst, zu denen sich der Emittent am Markt Kapital verschaffen kann, hat der Emittent u.U. spürbare Kostennachteile in Kauf zu nehmen, wenn er den Ratingagenturen seine Kooperation verweigert. Die meisten Emittenten entschließen sich daher freiwillig dazu, mit den Agenturen zusammenzuarbeiten. Teilweise werden von den Ratingagenturen Ratings auf Basis öffentlich vorliegender Informationen durchgeführt, ohne dass der Emittent hinsichtlich einer Zusammenarbeit aufgefordert wurde. Emittenten, die ein Rating in Auftrag geben wollen, können die Unterstützung sogenannter Rating Advisors in Anspruch nehmen. Diese Dienstleistung wird neben den großen Investmentbanken auch von auf das Rating Advisory spezialisierten Beratungsunternehmen angeboten. Diese beraten bei der Auswahl der zu kontaktierenden Ratingagentur, leisten Unterstützung bei der Erstellung der Dokumentation für die Ratingagentur und geben Anleitung zur effizienten Durchführung des Ratingverfahrens für das Management. Wesentliche Schritte im Rahmen eines beauftragten Ratingverfahrens sind die Erteilung eines Ratingauftrages durch den Emittenten, die Durchführung des Managementgespräches, die Entscheidungsfindung durch das Risikokomitee der Ratingagentur sowie die Veröffentlichung des Ratings. - (1) Ratingauftrag: Im Vorfeld der Auftragserteilung wird der Emittent im Rahmen eines Informationsgespräches über die Vorgehens weise des Ratingverfahrens unterrichtet. Ebenso überprüft die Ratingagentur, ob der Emittent die formalen Voraussetzungen für ein Rating wie z.B. eine hinreichend spezifizierte Emission erfüllt. Mit dem Auftrag verpflichtet sich der Emittent alle für die Beurteilung erforderlichen Informationen bereitzustellen und die für das Ratingverfahren zu entrichtende Gebühr zu bezahlen, unabhängig davon, wie das Ergebnis des Ratings aussieht. Im Gegenzug verpflichtet sich die Ratingagentur, vertrauliche Informationen nicht ohne Zustimmung des Emittenten zu veröffentlichen. Sollte der Emittent im Verlauf des Ratingverfahrens seiner Verpflichtung zur Beibringung der von der Ratingagentur angeforderten Unterlagen nicht nachkommen , wird der Ratingauftrag von der Ratingagentur zurückgewiesen. In diesem Fall und auch bei Nichtveröffentlichung eines bereits erstellten Ratings hat der Emittent die Ratinggebühr zu bezahlen. Nach Annahme des Ratingauftrages durch die Ratingagentur werden Analysten für die Beurteilung des Emittenten eingesetzt. Diese führen zunächst eine agenturinterne Recherche sowie eine Auswertung von öffentlich zugänglichen Informationen durch, um zu einer vorläufigen Einschätzung des Kontrahenten zu gelangen. Diese Informationen bilden die Grundlage für den im Managementgespräch zu bearbeitenden Fragenkatalog. - (2) Managementgespräch\'. Das Managementgespräch findet zwischen den Analysten der Ratingagentur sowie den Vertretern des Emittenten, d.h. den Mitgliedern des Vorstands oder der Geschäftsführung statt. Ziel des Gespräches aus der Sicht der Analysten ist es, möglichst viele Detailinformationen über das Unternehmen zu sammeln, sowie sich einen Eindruck über die Qualifikation des Managements zu machen. Es umfasst meist eine Präsentation der Vertreter des Emittenten, die Abarbeitung des im Vorfeld erstellten Fragenkataloges sowie i.d.R. eine Betriebsbesichtigung. - (3) Ratingkomitee: Im Anschluss an das Managementgespräch werden die beurteilungsrelevanten Daten aufbereitet und in einem Bericht zusammengestellt. Dieser wird einem Ratingkomitee vorgelegt, das sich aus besonders erfahrenen Analysten der Ratingagentur zusammensetzt. Das Ratingkomitee stimmt nach Diskussion der Beurteilungsfaktoren über das festzusetzende Rating ab. - (4) Veröffentlichung des Ratings: Nach der Festsetzung des Ratings durch das Ratingkomitee wird dieses zunächst dem Emittenten mitgeteilt. Der Emittent hat die Möglichkeit, zum Rating Stellung zu nehmen und ggf. durch Bereitstellung von noch nicht bei der Beurteilung berücksichtigten Datenmaterials auf eine erneute Entscheidung durch das Ratingkomitee herbeizuführen. Widerspricht der Emittent der Publizierung des Ratings nicht, so wird dieses veröffentlicht. Werden Ratingagenturen ohne Auftrag des Emittenten aktiv, so hat dieser keine Möglichkeit durch ein Veto die Veröffentlichung zu verhindern. Das veröffentlichte Rating wird von der Ratingagentur auf Basis von Jahresabschlüssen und Presseinformationen laufend überwacht. Mindestens einmal im Jahr nehmen die Analysten der Agentur erneut das Gespräch mit dem Management des Emittenten auf, um neue Entwicklungstendenzen zu diskutieren und einen Bericht zu schreiben. Bei Auftreten von Faktoren, die auf eine Bonitätsveränderung des Emittenten hindeuten, wird dieser auf eine sogenannte Watchlist gesetzt. Nach einem gesonderten Überprüfungsverfahen wird das Rating vom Risikokomitee herauf- (Upgrading) oder herabgestuft (Downgrading) oder unverändert bestätigt. Der Emittent bleibt im Rahmen des Überwachungsverfahrens an sein einmal gegebenes Einverständnis der Publizierung des Ratings gebunden. 5.2 Ratingsysteme Das Ratingsystem im Sinne der von der Ratingagentur für die Bonitätsbeurteilung definierten Methodik setzt sich aus den für das Bonitätsrisiko als ursächlich oder relevant angesehenen Indikatoren und Faktoren zusammen. Diese Ratingkriterien können quantitativer oder qualitativer Natur sein. Während die quantitativen Ratingkriterien in erster Linie Kennzahlen z.B. aus dem Finanzbereich umfassen, fließen mit qualitativen Ratingkriterien Informationen in die Beurteilung ein, die nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand objektivierbar und quantifizierbar sind. Sie beziehen sich insbesondere auf die Zukunftsperspektiven und die Qualität des Managements. Obwohl die Ratingagenturen ihre Urteile in großem Umfang auch auf quantitative Kriterien abstellen, spielen bei den angewandten Ratingsystemen qualitative Kriterien eine bedeutende Rolle. Charakteristisch hierfür ist die letztlich subjektive Urteilsbildung durch den Analysten bzw. das Ratingkomitee. Da die Bonität von Emittenten auch von Ereignissen beeinflusst wird, die den Ratingagenturen im voraus nicht bekannt sind, bleibt eine geringe Fehlerquote der Einstufung unvermeidbar. Mit dem Ziel der Nachbildung der komplexen Urteilsfindungsmechanismen wurden in jüngster Zeit von verschiedenen Seiten mathematisch-statistische Ratingsysteme entwickelt, die eine automatisierte Schätzung der Kreditwürdigkeit auf der Basis anhand einiger Kennzahlen ermöglichen sollen. Diese Systeme unterliegen jedoch hinsichtlich ihrer Aussagefähigkeit gewissen Beschränkungen und stellen keinen vollwertigen Ersatz für ein Ratingverfahren im herkömmlichen Sinn dar. Sie können jedoch für Emittenten im Vorfeld des Ratingverfahrens eine gewissen Unterstützungsfunktion hinsichtlich der Abschätzung der Spannbreite des zu erwartenden Ratings wahrnehmen. Da die für das Bonitätsrisiko relevanten Kriterien in Abhängigkeit des betrachteten Emittenten unterschiedlich ausfallen, werden unterschiedliche Ratingsysteme für die Beurteilung von Banken, Versicherungen, Industrieunternehmen und öffentlichen Körperschaften, von öffentlichen und privaten Pfandbriefen, Bankschuldverschreibungen und Industrieobligationen oder von kurz- und langfristigen Finanztiteln angewandt. Die Ratings werden auf der Basis mehrerer Analysestufen ermittelt. Im Rahmen der Länderrisikoanalyse wird zunächst die Obergrenze der möglichen Ratings des betrachteten Objektes bestimmt. Ziel der Länderrisikoanalyse ist es, ein Urteil über die Fähigkeit und Bereitschaft eines Staates zu finden, Zahlungsverpflichtungen uneingeschränkt und rechtzeitig nachzukommen. Hierbei wird besonders das Transferrisiko untersucht, also die Wahrscheinlichkeit, dass ein Emittent aufgrund von vorübergehender oder anhaltender Illiquidität des Devisenmarktes nicht in der Lage sein wird, die von ihm übernommenen Zahlungsverpflichtungen nach Umtausch der nationalen und fremde Währung zu erfüllen. In einem zweiten Schritt erfolgt die Branchenanalyse, die eine weitere, wenn auch weniger strikte Obergrenze für das Rating des betrachteten Objektes darstellt. Ratingkriterien sind hier u.a. die Zukunftsperspektiven des Industriezweiges, sowie Substitutionsbeziehungen, Markteintrittsbar- rieren und mögliche Sonderfaktoren des Branchenrisikos. Da sich aus der gegebenen Wettbewerbssituation in der betrachteten Branche gravierende Auswirkungen für den betrachteten Emittenten ergeben können, stellt die Konkurrenzsituation einen wesentlichen Gegenstand der Br^nchenanalyse dar. Beim Emittentenrating stellt die Emittentenanalyse die letzte Analysestufe dar. Gegenstand der Analyse ist das Geschäftsrisiko wie z.B. die Wettbewerbsposition, Marketing und Technologie sowie das finanzielle Risiko, welches insbesondere auf Basis der Jahresabschlusses beurteilt wird. Hohen Stellenwert besitzt die Beurteilung der Unternehmensführung wie auch die branchenbezogene Kennzahlenanalyse. Diese kann sehr spezifische, nur für die Branche des Emittenten zutreffende Kennzahlen (wie z.B. Schiffstonnage) oder allgemeine bonitätsrelevante Kriterien umfassen, wobei letztere je nach Branche unterschiedlich zu interpretieren sind. Beim Emissionsrating erfolgt als letzte Analysestufe die Emissionsanalyse. Sie hat die Analyse der spezifischen Ausstattungsmerkmale einer Emission zum Inhalt. Hypothekarische Besicherung, Negativklauseln, Positiverklärungen und spezielle Schutzbestimmungen beeinflussen den Risikogehalt eines spezifischen Forderungstitels erheblich und sind damit für das Emissionsrating mit bestimmend. Aufgrund abweichender Ausstattungsmerkmale können unterschiedliche Emissionen desselben Emittenten unterschiedliche Ratings haben. 6. Aktuelle Entwicklungen Nachdem Ratings in den vergangenen Jahrzehnten vor allem in den USA und Japan eine wichtige Rolle auf den Geld- und Kapitalmärkten gespielt haben, gewinnt das Thema auch in Europa und vor allem in Deutschland zunehmend an Interesse. Bereits zu Beginn der 1990er Jahre lagen mit Initiativen zur Gründung von Ratingagenturen Ansätze für die stärkere Etablierung von Ratings in Europa vor. Anders als damals führen seit dem Ende der 1990er Jahre zahlreiche neue Fundamentalfaktoren zu einem stark wachsenden Bedarf an bonitätsbezogenen Informationen. Aufgrund der Einführung des Euro und des damit verbundenen Wegfalls des Währungsrisikos wird das Bonitätsrisiko zunehmend das ausschlaggebende Differenzierungskriterium von Kapitalanlagen. Finanzinnovationen wie Kreditderivate und Kreditverbriefungen führen ebenso wie die wachsende Zahl von Mittelstands- und Innovationsfinanzierungen zu einem verstärkten Bedarf an Ratings. Darüber hinaus bilden sich abzeichnende Regulierungsvorschriften im Rahmen der Kapitaladäquanzvorschriften für Banken die Grundlage für eine zunehmende Nachfrage nach Ratings von Seiten der Banken. Im Zuge der Neuordnung der Eigenkapitalunterlegung von Bankkrediten soll diese zukünftig verstärkt in Abhängigkeit von dem Risikogehalt des Kreditnehmers gestaltet sein, wobei als ein Maßstab für den Risikogehalt die Ratings, von Ratingagenturen in Betracht gezogen werden. In den vergangenen Jahren haben sich bereits neue Objekte, Agenturen und Systeme für Ratings herausgebildet haben. Als neue Rating-Produkte sind u.a. Structured Finance Ratings für die Finanzinstrumente Asset und Mortgage Backed Securities oder Market Risk Ratings für Investmentfonds zu nennen. Informationsbedarf hinsichtlich des Bonitätsrisikos von technologie-orientierten Investitionen wie z.B. über Venture Capital-Firmen oder Anlagen am Neuen Markt werden durch Technology Ratings unterstützt. Diese verhindern eine informationsbedingte Kapitalrationierung indem sie die technische Komplexität des betrachteten Investitionsobjektes reduzieren und auch für Investoren ohne ausgedehnte Recherchemöglichkeiten verständlich machen. Mit dem Ziel, den wachsenden Ratingbedarf insbesondere für den klein- und mittelständischen Sektor nicht nur der deutschen Wirtschaft sondern europaweit zu bedienen, wurden Ende der 1990er Jahre in Deutschland und Österreich verschiedene Ratingagenturen für das Rating von klein- und mittelständischen Unternehmen gegründet. Deren Fokus reicht von reinen investor-orientierten Ansätzen bis hin zu Systemen, mit denen der mittelständischen Unternehmensleitung ein Informationsmedium hinsichtlich der Chancen und Risiken ihres Unternehmens angeboten werden soll. 7. Beurteilung und Ausblick Ratings nehmen elementare Informations- und Instrumentalfunktionen für Investoren, Emittenten und Aufsichtsbehörden wahr und stellen damit eine wesentliche informatorische Grundlage für die Aktivitäten an den Finanzmärkten dar. Während in den USA bereits mehrere tausend Unternehmen über ein Rating verfügen, gilt dies in der EU Anfang 2000 gerade für knapp 1000 Schuldner, in Deutschland jedoch nur für wenige Adressen. Damit erschließt sich den Ratingagenturen auf dem europäischen und insbesondere dem deutschen Markt ein großes Wachstumspotential. Literatur: BÜSCHGEN, H. E. / EVERLING, O. (1996), (Hrsg.): Handbuch Rating, Wiesbaden. HEINKE, V. G. (1998): Bonitätsrisiko und Credit Rating festverzinslicher Wertpapiere: Eine empirische Untersuchung am Euromarkt, Bad Soden/Ts. EVERLING, O. (1991): Credit Rating durch internationale Agenturen: Eine Untersuchung zu den Komponenten und instrumentalen Funktionen des Rating, Wiesbaden. EVERLING, O. / RIEDEL, S.-M. / WEIMERSKIRCH, P. (2000), (Hrsg.): Technology Rating, Wiesbaden
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