Securitisation
Als Securiation wird der Trend zur Verbriefung von Finanzierungstiteln bezeichnet. Securiation beschreibt also die Beobachtung, dass an den Finanzmärkten immer häufiger in Buchform gekleidete Finanzierungen durch Finanzierungen in Form von Wertpapieren substituiert werden. 2. Securiation an den Primär- und Sekundärmärkten Dieser Substitutionsprozess ist an den Primärmärkten zu beobachten, wenn nämlich früher in Buchform gekleidete Kreditverträge oder Beteiligungstitel nun zunehmend auf die Ausgabe von handelbaren Forderungen oder Eigenkapitalanteilen gerichtet werden. Das ist etwa bei der Emission von Commercial Papers oder Corporate Bonds statt dem Abschluss von Kreditverträgen der Fall oder kommt beispielsweise im Trend zum Going Public bei der Eigen- kapitalfinanzierung über ein Initial Public Offering (IPO) zum Ausdruck, wo früher eher der privat gehaltene Komplementär- oder GmbH-Anteil angestrebt worden wäre. Der Substitutionsprozess wird aber insbesondere auch an den Sekundärmärkten beobachtet, wenn zunächst in Buchform vorliegende Kredit- oder Beteiligungsbeziehungen in eine handelbare Form transformiert werden, so dass nach der Ausgabe sog. Asset-Backed Securities vorliegen, in Wertpapierform gekleidete Kredit- oder Beteiligungsbeziehungen. In gewissem Umfang kann auch eine Securiation über handelbare Finanztitel erfolgen, die auf den Transfer ganz bestimmter Bestandteile buchmäßiger Kreditforderungen gerichtet ist, nämlich deren Risikogehalt. So ist beispielsweise der Markt für Kreditderivate darauf ausgerichtet, spezifische mit einer Forderung verbundene Risiken ohne den Transfer der zu Grunde liegenden Forderung weiterreichen zu können. Der Zahlungsstrom von Kreditderivaten in Form von Credit Default Linked Notes (auch Credit Linked Notes) oder Credit Default Swaps hängt davon ab, ob während der Laufzeit der Anleihe bei der Buchforderung als Underlying ein sog. Default Event, ein Ausfallereignis, eintritt. In zunehmendem Maße werden auch Strategien der sog. synthetischen Securiation eingesetzt, die sich aus der Kombination von Kreditderivaten und traditioneller Securiation durch Asset Backed Securities verwirklichen lassen. Die Weitergabe von Kreditrisiken mit diesen flexibel gestaltbaren synthetischen Konstruktionen kann überwiegend abwicklungstechnische und rechtliche Vorteile gegenüber den herkömmlichen Verfahren bieten. 3. Disintermediation und Securiation Der im Zuge der Securiation erfolgende Substitutionsprozess kann hinsichtlich der Art und des Umfangs der Einschaltung von Finanzintermediären gekennzeichnet werden. Im allgemeinen ist eine Securiation mit einer Disintermediation verbunden, weil die aufgrund der Zwischenschaltung einer Bank indirekte Beziehung zwischen Geldgeber und Geldnehmer auf eine direkte Beziehung von Geldgeber und Geldnehmer verkürzt wird, wobei die Bank ihre Funktion als Institution zur Risikentransformation aufgibt. Die Begriffe Securiation und Disintermediation sind aber nicht gleichzusetzen, weil beispielsweise Finanzintermediäre auch Asset Backed Securities als die typischen Produkte einer Securiation in ihren eigenen Bestand an handelbaren Assets aufnehmen können, so dass sich nur die Form der Finanztitel in den Büchern der Finanzintermediäre verändert hat. Aus unbeweglichen, illiquiden Finanztiteln sind über verschiedene Mittel der Securiation fungible und möglichst liquide Wertpapapiere geworden. Die Zusammenführung von Kapitalangebot und Kapitalnachfrage erfolgt in entwickelten Volkswirtschaften im Wesentlichen über zwei konzeptionell unterschiedliche Formen von Finanzsystemen. 4.1 Bankorientierte Finanzsysteme Bankorientierte Finanzsysteme, wie sie beispielsweise in Deutschland oder Italien vorherrschen, präferieren bilaterale Bankfinanzierungen in der überwiegenden Form von Kreditfinanzierungen. Bankorientierte Systeme neigen zu unterentwickelten Kapitalmärkten, gelten gelegentlich aber als längerfristig orientiert als die stark performancebetonten marktorientierten Systeme. 4.2 Marktorientierte Finanzsysteme In marktorientierten Finanzsystemen wie z.B. in England oder den USA spielen dagegen Kapitalmarktfinanzierungen eine wichtigere Rolle, während Bankfinanzierungen weniger bedeutsam sind. Die Funktion der Investmentbanken in marktorientierten Systemen ist stärker transaktionsbezogen, während die Funktion der Universalbanken im bankorientierten System mehr am Aufbau und der mittel- bis langfristigen Pflege einer Kreditbeziehung (RelationshipBanking) orientiert ist. 4.3 Unterschied und weitere Entwicklung Der Unterschied zwischen bank- und marktorientierten Finanzsystemen liegt weniger in den zum Einsatz kommenden Finanzierungsformen (Eigen- und Fremdkapitaltitel) als vielmehr in den typischen Vertragsbedingungen. Während bei Bankfinanzierungen Kapitalnehmer und Kapitalgeber die Vertragsbedingungen individuell aushandeln, werden bei Kapitalmarktfinanzierungen die von den kapitalsuchenden Emittenten vorformulierten Vertragsbedingungen und Konditionen von einer Vielzahl von Kapitalgebern (Anlegern) als gegeben angesehen. Vergleichbare Unterschiede ergeben sich auch während der Vertragslaufzeit, weil Kreditverträge auch während ihrer Laufzeit an wechselnde Umfeldbedingungen angepasst werden können, wenn beispielsweise ein zusätzlicher Kapitalbedarf entsteht oder eine Krisensituation die Verzögerung der Rückzahlung des Kredits erforderlich macht. Umschuldungsmaßnahmen bei Kapitalmarktfinanzierungen müssen dagegen in der Regel auf Neuverhandlungen verzichten, das Hinauszögem fälliger Zins- oder Tilgungsverpflichtungen ist mit einem erheblichen Reputationsverlust verbunden. Seit den achtziger Jahren hat in Ländern mit bankorientierten Systemen die Finanzierung über organisierte Märkte gegenüber der Finanzierung über Kreditinstitute an Bedeutung gewonnen, so dass mit dem Trend zur Securiation auch eine gewisse Systemtransformation einhergeht. In einigen Ländern mit bankorientiertem System hat so auch die zentrale Stellung der Banken als Finanzintermediäre an Bedeutung verloren. Andere Finanzdienstleister haben diese Stellung eingenommen, indem sie den Wertschöpfungsprozess aufgebrochen und sich auf einzelne Teile dieses Prozesses, z. B. das Rating von Kapitalmarktteil- nehmern spezialisiert haben. Das Zusammenspiel bank- und marktorientierter Systeme ist im übrigen durch mehrstufige Intermediationsprozesse gekennzeichnet, da beispielsweise Banken selbst herausragende Kapitalmarktteilnehmer auf der Anleger- wie auf der Emittentenseite sind und auch andere Finanzintermediäre wie Kapitalanlagegesellschaften, Pensionskassen oder Versicherungsgesellschaften auf den Finanz- und Kapitalmärkten agieren. Das führt dazu, dass sich bank- und marktorientierte Systeme in entwickelten Volkswirtschaften einander annähem und Statistiken über die Bedeutung der Finanzintermediäre zu vergleichbaren Ergebnissen führen. Der Trend zur Securiation ist teilweise durch strenge Regulierungen der Finanzinterme diäre angeregt und gefördert worden. Wenn beispielsweise die Kreditvergabe und das Halten der Kredite als Assets der Kreditinstitute durch staatliche Eigenkapitalunterlegungsvorschriften verteuert wird, so wird man als Reaktion versuchen, diese Assets außerhalb des Bankenapparates zu platzieren, um die Einwerbung teuren regulatorischen Kapitals zu vermeiden. Das Motiv für die Securiation ist in diesem Fall das Ziel einer Regulierungsarbitrage. Ob mit der Auslagerung von Kreditforderungen auf Wirtschaftssubjekte, die keinen gesetzlichen Eigenkapitalanforderungen unterliegen, die Stabilität des Finanzsystems letztlich gefördert wird, ist sehr fraglich. Die Bankenaufsicht tut sich daher schwer, Securiation an den Sekundärmärkten in vollem Umfang als Eigenkapitalanforderungen mindernde Transaktionen anzuerkennen. 5. Formen der Finanztransaktion zur Securiation Finanztransaktionen sind finanzwirtschaftliche Vorgänge, die den Bestand oder die Zusammensetzung von Finanzierungsmitteln verändern. Ihre rechtlichen Voraussetzungen, ihre Abwicklung, die dabei anfallenden Transaktionskosten und die typischen Vertragspartner weisen erhebliche Unterschiede im Detail auf. Asset Backed Securities als augenfälligster Ausdruck der Securiation sind das Ergebnis von Finanztransaktionen, bei denen ein Kreditinstitut oder ein anderes Unternehmen Teile seines Forderungsbestandes an eine eigens für diese Transaktion gegründete Zweckgesellschaft (SPV, Special Purpose Vehicle) veräußert. Die Zweckgesellschaft refinanziert sich ihrerseits durch die Emission von Wertpapieren, die als Asset-Backed Securities (ABS) bezeichnet werden. Asset-Backes Securities können je nach den verwendeten Aktiva unterschieden werden in Mortgage-Backed Securities (MBS), d. h. durch Hypothekenforderungen besicherte Wertpapiere, und in sonstige Asset-Backed SecuritieSecurization Sonstige ABS werden durch Kreditkartenforderungen, Leasingforderungen oder andere Handelskredite unterlegt. Mortgage-Backed Securities stellen sozusagen die Urform der Asset- Backed Securities dar, da 1970 in den USA in dieser Form die erste Emission erfolgte. Zum Aufbau eines Sekundärmarktes für Hypothekenforderungen hatte die Government National Mortgage Association (Ginnie Mae) Forderungen aus Hypothekendarlehen aufgekauft und auf deren Grundlage Wertpapiere emittiert. Andere öffentlich rechtliche Institutionen wie die Federal Home Loan Mortgage Corporation (Freddie Mac) oder die Federal National Mortgage Association (Fannie Mae) folgten. 1983 entwickelte Freddie Mac erstmals mit den Collateralized Mortgage Obligations (CMOs) eine Konstruktion, bei der die von den Kreditnehmern zurückfließenden Zahlungsströme nicht direkt an die Inhaber der Mortgage-Backed Securities durchgeleitet (Pass-Through Struktur) sondern einem Management unterworfen werden (Pay- Through Struktur). Damit war es möglich, die unterschiedlichen Risiko- und LiquiditätsVorstellungen der Anleger zu berücksichtigen. Eine neue Gruppe der Asset-Backed Securities stellen die Collateral Debt Obligations dar, welche die Collateral Bond Obligations und die Collateral Loan Obligations umfassen. Eigentlich sind nur die Collateral Loan Obligations dem Begriff der Securitisation zuzurechnen, weil nur in diesem Fall ein Pool von Buchforderungen in Wertpapiere transformiert wird. Gemeinsam haben die Collateral Loan Obligations allerdings mit den Collateral Bond Obligations, dass gegenüber der ursprünglichen Kreditbeziehung eine Neuverteilung der Risiken erfolgt. Collateral Loan Obligations sind strukturierte Finanztransaktionen, bei denen Bankkreditforderungen treuhänderisch verwahrt werden und als Besicherung für geratete Schuldtitel dienen. Typisch ist die Verbriefung in Tranchen unterschiedlichen Risikogehalts, d. h. die Realisierung einer Pay-Through Struktur. Dabei wird die ranghöchste Tranche zuerst bedient, danach die rangniedrigeren sog. Mezzanine-Tranchen und letztlich die Equity-Tranche. Diese letzte Equity-Tranche fängt im Falle von Zahlungsschwierigkeiten zunächst alle Verluste auf, da sie als erste nicht bedient wird und somit auch ein niedrigeres Rating erhält als die übrigen qualitativ höherwertigen Tranchen. Vielfach wird daher bei der Equity-Tranche sogar auf ein Rating verzichtet. In diesem Fall kann es sich als zweckmäßig erweisen, dass das veräußernde Kreditinstitut diese Tranche in ihren eigenen Bestand nimmt. Aus dieser Praxis lässt sich ableiten, dass der Trend zur Securiation nicht auf eine hundertprozentige Ablösung der Buchforderungen abzielt, sondern zum Ziel hat, jene Forderungen, die von ihrer Struktur her einer Vermarktung besonders zugänglich sind, auch möglichst effizient an den Finanzmärkten zu platzieren und zu handeln. Securization ist also nicht nur auf die Vermeidung regulierungsbedingter Eigenkapitalunterlegungen sondern insbesondere auf das aktive Management sonst festliegender Asset Bestände gerichtet. Für die Kapitalmarktteilnehmer können sich daraus neuartige Investitionsmöglichkeiten ergeben, deren Chancen-Risiko- Strukturen den Anlagebedürfnissen u. U. besser entsprechen als jene herkömmlicher Wertpapiere. Literatur BURGHOF, H. P. / HENKE S. (2000), Perspektiven des Einsatzes von Produkten des Kreditrisikomanagements auf Bankkredite, in: Johanning, L. / Rudolph, B. (Hrsg.), Handbuch Risikomanagement, Bad Soden. PAUL, S. (1994), Bankenintermediation und Verbriefung - Neue Chancen und Risiken für Kreditinstitute durch Asset Backed Securities, Wiesbaden. SCHMIDT, R. H. / HACKETHAL, A. / TYRELLI, M., Disintermediation and the Role of Banks in Europe: An international Comparison, in: Journal of Financial Intermediation, Vol. 8, S. 36-67. WATZINGER, H. (2000), Synthetic Securitization - Cheap and Easy, in: Risk Magazine - Credit Risk Special Report, März 2000, S. 10-13.
<< vorhergehender Fachbegriff |
|
nächster Fachbegriff >> |
|
|
|
|