Prospekthaftung
liability extending to statements made in issuing prospectus; Oberbegriff für die zivilrechtliche Verantwortlichkeit derjenigen, die Prospekte, in denen für Kapitalanlagen auf dem organisierten und nicht organisierten sog. grauen Kapitalmarkt geworben wird, erstellen oder in Verkehr bringen, gegenüber den Anlegern. Die P. greift bei unrichtigen oder unvollständigen Prospekten ein. Zu unterscheiden ist zwischen der spezialgesetzlichen, den organisierten Kapitalmarkt betreffenden P. für Börsenprospekte, Verkaufsprospekte für Wertpapiere, Verkaufsprospekte der Kapitalanlagegesellschaften sowie für Verkaufsprospekte ausländischer Investmentgesellschaften und der daraus entwickelten allgemeinen zivilrechtlichen P. für Prospekte, die Kapitalanlagen am grauen Kapitalmarkt zum Gegenstand haben. - 1. Börsenprospekte: Die P. für Börsenprospekte folgt für die zum Handel mit amtlicher Notierung zu gelassenen Wertpapiere aus §§ 45 ff. BörsG. Aufgrund gesetzlicher Verweisung in § 77 BörsG gelten diese Vorschriften entsprechend für die Börsenprospekte in Form eines Unternehmensberichts, die Voraussetzung für die Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel mit nicht-amtlicher Notierung (Geregelter Markt) sind. §§ 45 ff. BörsG sind darüber hinaus auf die Börsenprospekte der an der Frankfurter Wertpapierbörse zum Handel am Neuen Markt zugelassen Wertpapiere anzuwenden, da diese Wertpapiere gemäß § 66a der Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse zum Geregelten Markt zugelassen sein müssen. Die P. ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Prospekt von der Zulassungsstelle (amtlicher Handel) bzw. vom Zulassungssauschuss (Geregelter Markt) gebilligt wurde. - Haftungsbegründender Tatbestand ist gemäß § 45 I BörsG die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der wesentlichen Prospektangaben in dem Prospekt. Wesentlich sind solche Angaben, die die Anlageentscheidung eines vernünftigen, durchschnittlichen Anlegers beeinflussen würden. Dies können neben einzelnen unternehmensbezogenen Tatsachen auch wertende Aussagen über die wirtschaftliche Lage des Emittenten und deren voraussichtliche Entwicklung sein. Liegt danach ein Prospektmangel vor, so kann der Erwerber der Wertpapiere von denjenigen, die für die Veröffentlichung des Prospekts die Verantwortung übernommen haben und von denjenigen, von denen die Veröffentlichung des Prospekts ausgeht, als Gesamtschuldner die Übernahme der Wertpapiere gegen Erstattung des Erwerbspreises und der mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten verlangen, sofern das Erwerbsgeschäft nach Veröffentlichung des Prospekts und innerhalb von sechs Monaten nach der erstmaligen Einführung der Wertpapiere abgeschlossen wurde (§ 45 I BörsG). Ist der Erwerber nicht mehr Inhaber der Wertpapiere, so kann er die Zahlung des Unterschiedsbetrages zwischen dem Erwerbspreis und dem Veräußerungspreis sowie der mit Erwerb und Veräußerung verbundenen Kosten verlangen (§ 45 II BörsG). War der Erwerbspreis höher als der erste Ausgabepreis, so ist nur letzterer zu erstatten oder bei der Schadensberechnung heranzuziehen (§§ 45 I, II BörsG). Diese Begrenzung der P. auf den Ausgabepreis soll die Haftungsrisiken für die Prospektverantwortlichen und die Emittenten überschaubarer machen. Nach § 46 I BörsG haftet nicht, wer nachweist, dass er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts nicht gekannt hat und diese Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht. Darüber hinaus sind gemäß § 46 II BörsG Ansprüche aus P. dann ausgeschlossen, wenn die Wertpapiere nicht aufgrund des Prospektes erworben wurden, der unrichtig oder unvollständig dargestellte Sachverhalt nicht zu einer Minderung des Börsenpreises beigetragen hat, der Erwerber die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts kannte oder der Prospekt vor Abschluss des Erwerbsgeschäfts berichtigt wurde. Sind Wertpapiere eines Emittenten mit Sitz im Ausland auch im Ausland zum Börsenhandel zugelassen, so besteht ein Anspruch aus P. nur, wenn die Wertpapiere aufgrund eines im Inland abgeschlossenen Geschäfts oder einer im Inland erbrachten Wertpapierdienstleistung erworben wurden (§ 45 III BörsG). Der Anspruch aus P. verjährt gemäß § 47 BörsG in sechs Monaten ab Kenntnis des Erwerbers vom Prospektmangel, spätestens jedoch in drei Jahren seit der Veröffentlichung des Prospekts. Zuständig für die Entscheidung über Ansprüche aus § 45 BörsG ist das Landgericht am Sitz der Börse deren Zulassungsstelle bzw. Zulassungsausschuss den Prospekt gebilligt hat (§§ 49, 77 BörsG). - 2. Verkaufsprospekte für Wertpapiere: Die P. für Verkaufsprospekte ist in § 13 I Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG) geregelt, der auf die Vorschriften über die P. für Börsenprospekte gemäß §§ 45 ff. BörsG verweist. Sie greift ein, wenn die betreffenden Wertpapiere nach der Veröffentlichung des Prospekts und innerhalb von sechs Monaten seit ihrem ersten öffentlichen Angebot im Inland erworben wurden (§ 13 I Nr. 1 VerkProspG). Werden Wertpapiere eines Emittenten mit Sitz im Ausland auch im Ausland öffentlich angeboten, so besteht ein Anspruch aus P. nur, wenn die Wertpapiere aufgrund eines im Inland abgeschlossenen Geschäfts oder einer im Inland erbrachten Wertpapierdienstleistung erworben wurden (§ 13 I Nr. 2 VerkProspG). Der Anspruch aus P. verjährt gemäß § 13 I VerkProspG und § 47 BörsG in sechs Monaten ab Kenntnis des Erwerbers vom Prospektmangel, spätestens jedoch in drei Jahren seit der Veröffentlichung des Prospekts. Fehlt ein Verkaufsprospekt vollständig, so kommt eine deliktsrechtliche Haftung nach § 823 II BGB i.V.m. §§1,9 VerkProspG in Betracht. Ist für Wertpapiere bereits ein Antrag auf Zulassung zum Börsenhandel gestellt, so ist für die Entscheidung über die Ansprüche aus P. sowie über die deliktsrechtlichen Ansprüche das Landgericht zuständig, in dessen Bezirk die Börse, bei deren Zulassungsstelle bzw. Zulassungsausschuss die Billigung des Verkaufsprospekts beantragt worden ist, ihren Sitz hat (§ 13 II Nr. 1 VerkProspG). Liegt kein Antrag auf Börsenzulassung vor, so entscheidet das Landgericht am Sitz des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel (BAWe), d.h. das Landgericht Frankfurt am Main (§ 13 II Nr. 2 VerkProspG). - 3. Verkaufsprospekte der Kapitalanlagegesellschaften: Grundlage der P. für das Verkaufsprospekt einer Kapitalanlagegesellschaft ist § 20 KAGG. Zwar bezieht sich die Vorschrift auf Verkaufsprospekte für Wertpapier- Sondervermögen, sie ist jedoch entsprechend anwendbar auf Verkaufsprospekte für Geldmarkt-Sondervermögen (§ 7a KAGG), Beteiligungs-Sondervermögen (§ 25a KAGG), Investmentfonds-Sonder- vermögen (§ 25k KAGG), GrundstücksSondervermögen (§ 26 KAGG), gemischte Wertpapier- und GrundstücksSondervermögen (§ 37a KAGG) und Alters Vorsorge-Sondervermögen (§ 37h KAGG). Sind in einem solchem Prospekt Angaben, die für die Beurteilung der Anteilsscheine von wesentlicher Bedeutung sind, unrichtig oder unvollständig, so kann derjenige, der aufgrund des Prospekts Anteilsscheine gekauft hat, von der Kapitalanlagegesellschaft und von demjenigen, der die Anteilsscheine gewerbsmäßig im eigenen Namen verkauft hat, als Gesamtschuldner die Übernahme der Anteilsscheine gegen Erstattung des Kaufpreises verlangen (§ 20 KAGG). Ist der Käufer nicht mehr Inhaber der Anteilsscheine, so kann er die Zahlung des Betrages verlangen, um den der von ihm gezahlte Preis den Rücknahmepreis übersteigt (§ 20 I KAGG). Die Kapitalanlagegesellschaft oder der Verkäufer können nicht in Anspruch genommen werden, wenn sie nachweisen, dass sie die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts nicht gekannt haben und diese Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht (§ 20 III KAAG). Eine P. ist darüber hinaus für solche Personen vorgesehen, die gewerbsmäßig den Verkauf von Anteilsscheinen vermitteln oder die Anteilsscheine in fremdem Namen verkaufen (§ 20 IV KAGG). Damit sind insbesondere Vertriebsgesellschaften, Anlageberater und Versicherungsgesellschaften, die Kapitalanlagen vermitteln, erfasst. Sie sind im Fall eines Prospektmangels zur Übernahme der Anteilsscheine verpflichtet, wenn sie die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts kannten. Fahrlässige Unkenntnis löst dagegen keine P. dieser Personen aus. Ein Anspruch aus P. besteht nicht, wenn der Erwerber den Prospektmangel beim Kauf der Anteilsscheine gekannt hat. Der Anspruch verjährt in sechs Monaten ab Kenntnis des Erwerbers vom Prospektmangel, spätestens jedoch in drei Jahren seit dem Abschluss des Kaufvertrages. - 4. Verkaufsprospekte ausländischer Investmentgesellschaften: Die P. für Verkaufsprospekte ausländischer Investmentgesellschaften ist in § 9 des Gesetzes über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen (Aus- llnvestmG) geregelt. Sind wesentliche Angaben in dem Verkaufsprospekt unrichtig oder unvollständig, so kann derjenige, der auf Grund des Prospekts Investmentanteile gekauft hat, von der ausländischen Investmentgesellschaft, von der Verwaltungsgesellschaft und von der Vertriebsgesellschaft die Übernahme der Investmentanteile gegen Erstattung des von ihm gezahlten Betrages verlangen oder die Zahlung des Unterschiedsbetrages zwischen dem Kaufpreis und dem von ihm später erzielten Rücknahmepreis verlangen. Die Regelung entspricht in ihren Einzelheiten der P. für Verkaufsprospekte der Kapitalanlagegesellschaften. - 5. Allgemeine zivilrechtliche P.: Zum Schutz der Anleger, die sich an Publikumsgesellschaften (GmbH & Co. KG), an Bauherrenmodellen (in der Form der GbR oder KG) oder an Immobilienanlagen (z. B. Immobilienleasing, geschlossene Immobilienfonds in Form der GbR oder KG) beteiligen, hat die Rechtsprechung eine allgemeine zivilrechtliche P. entwickelt. Rechtsgrund der Haftung ist die Enttäuschung des Vertrauens in den die jeweilige Anlageform beschreibenden Prospekt, der regelmäßig die einzige Informationsquelle für den Anleger ist. Sie setzt daher nicht voraus, dass der Anleger die für den Prospekt Verantwortlichen oder ihre Mitwirkung kannte. Die P. knüpft an die tatsächliche Veröffentlichung des Prospekts an und greift ein, wenn der Prospekt den Anleger nicht über alle Umstände, die für die Anlageentscheidung von Bedeutung sein können, vollständig und richtig informiert. Der Kreis der Haftenden umfasst die Initiatoren der Anlagemodelle, die Gründer der Gesellschaften und u.U. auch diejenigen, die als Referenz im Prospekt benannt sind. Dem Anleger ist der Schaden zu ersetzen, den er dadurch erlitten hat, dass er auf die Angaben im Prospekt vertraut hat. Regelmäßig wird der Schaden in dem Verlust des eingezahlten Kapitals bestehen. Die Ansprüche verjähren in sechs Monaten ab Kenntnis vom Prospektmangel, spätestens jedoch in drei Jahren seit der Beteiligung an einer Publikumsgesellschaft bzw. in 30 Jahren seit der Beteiligung an einem Bauherrenmodell oder an einem Immobilienfonds. - Die bisherige Entwicklung in der Rechtsprechung lässt den Schluss zu, dass die Grundsätze der allgemeinen zivilrechtlichen P. auch auf andere als die hier genannten Formen von Kapitalanlagen anwendbar sind.
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